Opposition will die Pendler retten

Gestern stritten die Parteien weiter darum, wie die Entfernungspauschale künftig aussehen soll. Fest steht nur: Der Finanzminister will irgendwie 3 Milliarden Euro kürzen. CDU-Ministerpräsident Koch kündigt Blockade im Bundesrat an

von KATHARINA KOUFEN

Der Streit um die Entfernungspauschale geht weiter. Wie genau die anvisierten drei Milliarden Euro bei der Pauschale eingespart werden sollen, ist zwar noch unklar. Doch die Opposition kündigte gestern schon einmal an, dass die Pläne des Finanzministeriums, wie sie zum Schluss denn auch aussehen mögen, keine Chance im Bundesrat haben.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch sagte stellvertretend für alle CDU-Länderchefs: „Kein Ministerpräsident kann sagen: Wenn einer weiter weg wohnt, soll seine Zumutbarkeitsschwelle noch durch Verteuerung des Bewegens zum Arbeitsplatz erhöht werden.“ CSU-Chef Edmund Stoiber erklärte, mit einer solchen Kürzung würden für Millionen von Arbeitnehmern die Vorteile der Steuerreform zunichte gemacht. Und Horst Friedrich, verkehrspolitischer Sprecher der FDP, lästerte, wer die Pauschale kürzen wolle, müsse im Gegenzug die Ökosteuer abschaffen.

In der Koalition geht man derzeit von zwei möglichen Kürzungsvarianten aus: einer Senkung der Pauschale von 15 bis 20 Cent pro Kilometer für alle Verkehrsträger, und zwar vom ersten Kilometer an. Oder einer Streichung bei gleichzeitigem Anheben der Werbekostenpauschale. Bisher erhalten Berufspendler für die ersten 10 Kilometer 36 Cent und und für jeden weiteren Kilometer 40 Cent.

Der Vorschlag, den der Finanzminister vergangenen Mittwoch dem Kabinett vorlegte, ist damit endgültig vom Tisch. Eichel hatte dafür plädiert, die Pauschale für Strecken unter 20 Kilometern zu streichen. Weil Monatskarten für Busse und Bahnen weiterhin ab dem ersten Kilometer bei der Steuererklärung gegolten hätten, Tankquittungen der Autofahrer aber nicht, hatte die Idee für Entrüstung bei der Autolobby gesorgt.

Sogar die Grünen sprachen sich dagegen aus, die Nutzer des öffentlichen Verkehrs zu bevorzugen. „Es hat lange genug eine Ungleichbehandlung gegeben“, sagte der Fraktionsreferent für Verkehrspolitik, Felix Beutler, in Anspielung auf die bis 2000 gültige Kilometerpauschale, die Autofahrer bevorzugte. Und auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, immerhin Parteikollege von Eichel, reagierte empört: Arbeitnehmer seien häufig auf das Auto angewiesen.

Ganz anders die Verkehrsexperten des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND): Die Entfernungspauschale bleibe eine „Zersiedlungsprämie“ und solle deshalb „mittelfristig ganz abgeschafft werden“, so VCD-Sprecher Daniel Kluge. Übergangsweise sollten Pendler die Möglichkeit haben, sich einen Festbetrag pro Kilometer beim Finanzamt anrechnen zu lassen. Die derzeitige Regelung sei nämlich obendrein „sozial ungerecht“, kritisiert Tilmann Heuser vom BUND. „Viele Politiker meinen, mit der Entfernungspauschale täten sie etwas für die Armen auf dem Land und die Azubis.“ In Wirklichkeit gelte aber: Je mehr man verdient, desto höher der Steuersatz, umso mehr lässt sich also abschreiben.

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