Für Familien wenig Geld und gute Worte

Familienministerin Renate Schmidt erklärt die Agenda 2010 – und verteidigt die Kürzungen beim Erziehungsgeld

BERLIN taz ■ Wie verkauft man Kürzungen so, dass sie nicht wie Kürzungen daherkommen? Ganz einfach: Man deutet um, benennt neu. So versuchte gestern auch Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) die Folgen der Agenda 2010 für Familien als politische Erfolge zu verkaufen, denn „es hätte schlimmer kommen können“.

Das Erziehungsgeld, das der Staat für ein Kind in den ersten sechs Lebensmonaten zahlt, wird künftig an eine niedrigere Einkommensgrenze gebunden: Elternpaare, die ein höheres so genanntes pauschalisiertes Nettoeinkommen haben als 30.000 Euro, bekommen künftig kein Erziehungsgeld mehr. Früher galt eine Einkommensgrenze von 51.130 Euro.

Die Absenkung der Einkommensgrenzen kippt nur etwa fünf Prozent der Eltern aus dem Bezug von Erziehungsgeld, betonte Schmidt. Auch aus Gründen der „sozialen Gerechtigkeit“ sei es vertretbar, diese besserverdienenden Eltern künftig vom Bezug des Erziehungsgeldes auszuschließen. Insgesamt sollen so 200 Millionen Euro eingespart werden.

Alleinerziehende werden vom nächsten Jahr an einen dauerhaften Steuerfreibetrag in Höhe von 1.300 Euro pro Jahr von der Steuer absetzen können. Aber nur „echte Alleinerziehende“, die nicht mit einem Lebenspartner zusammenleben, können den Steuervorteil geltend machen, betonte die Familienministerin. Laut Statistik wären dies weniger als die Hälfte der rund 2,1 Millionen Alleinerziehenden. Der Freibetrag kostet Bund, Länder und Kommunen rund 300 Millionen Euro. Allerdings war der frühere so genannte Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende höher als die neue Leistung.

Gut hört sich der geplante neue „Kinderzuschlag“ an. In barer Münze ist dieser Zuschlag jedoch kaum etwas anderes als die bisherige aufstockende Sozialhilfe für jobbende Eltern, die nur wenig Geld verdienen. Wer künftig mit seinem Einkommen unter dem Sozialhilfesatz für die Familie liegt, der hat Anspruch auf einen Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro im Monat. Von jedem Euro, der darüber hinaus hinzuverdient wird, sollen jeweils 30 Cent nicht angerechnet werden, um die Leute zu motivieren, zu arbeiten statt Stütze zu beziehen. Da mit dem Kinderzuschlag vor allem bisherige Leistungen umbenannt werden, sind die Netto-Kosten niedrig: Der Zuschlag kostet nur 65 Millionen Euro jährlich.

Künftig werden die joblosen Sozialhilfeempfänger und die bisherigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe das neue Arbeitslosengeld II bekommen, das in etwa auf Höhe der Sozialhilfe liegt. Ministerin Schmidt räumte ein, dass durch die Umschichtung der Alleinerziehenden ins Arbeitslosengeld II auch die statistische Zahl der Arbeitslosen vorerst steigen wird. Von den Einsparungen bei der bisherigen Arbeitslosenhilfe sollen 1,5 Milliarden Euro jährlich in den Ausbau der Kinderbetreuung gesteckt werden.

Moderne Familienpolitik soll vor allem die Geburtenrate steigern: Deutschland liege mit seiner Geburtenrate auf dem 180. Platz von 191 Staaten, bedauerte Schmidt gestern.

BARBARA DRIBBUSCH