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30 Millionen für Maritim-Museum

Alle anderen Ausstellungshäuser darben, doch der Sammler Peter Tamm bekommt viel Geld: Der Hamburger Senat sponsert dem wegen etlicher Militaria umstrittenen Privatier ein 18.000 Quadratmeter großes Ausstellungsgebäude, exklusiv gelegen in der künftigen Hafen City

Potentielle Konkurrenten im HamburgerUmland geben sich betont furchtlosFachleute fordern unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlung

von PETRA SCHELLEN

Große Gelder fließen selten in diesen Tagen. Besonders in Richtung Kultur. Kaum überraschend also, dass ein lautes Raunen durch die Hamburger Museumsszene ging, als bekannt wurde, dass Peter Tamm 30 Millionen Euro an Investitionsmitteln vom Senat bekommen soll, um seine private Sammlung in Form einer Stiftung als „Internationales Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ öffentlich zu präsentieren. Hierfür wird der Kulturetat 2004 und 2005 um je 15 Millionen Euro aufgestockt. 18.000 Quadratmeter im schönsten Gebäude der künftigen Hafen City – dem Kaispeicher B von 1878 – bekommt Tamm in kostenfreier Erbpacht dazu. Nur so habe man die Sammlung in der Stadt halten können, betont Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Dass die sieben großen Hamburger Museen hoch verschuldet sind und jüngst einen Brosamen von – zusammen – 2,5 Millionen Euro bekamen, stört da nicht. Auch eine Kooperation mit den vorhandenen Häusern mit maritimen Exponaten – des Museums für Hamburgische Geschichte und des Altonaer Museums – erwog man nie.

International bekannt ist Peter Tamm (75), der seit 2002 den Ehrentitel „Professor“ trägt, zweifellos: 27.000 Schiffsmodelle, 35.000 Konstruktionspläne, 50.000 Gemälde, 1.500.000 Fotos und 120.000 Bücher umfasst seine Sammlung, daneben etliche Uniformen und Waffen. „Im Grunde seit meinem sechsten Lebensjahr“ sammelt Tamm, und zwar „alles rund ums Schiff“, wie es der ehemalige Springer-Vorstandschef formuliert.

Angefangen hat Tamm 1948 als Journalist: Zehn Jahre lang war er Schiffsredakteur des Hamburger Abendblatts, was ihm etliche Kontakte zu Reedern eintrug, deren Nachlässe er später kaufte oder geschenkt bekam. Auffällig ist der hohe Anteil an Militaria, doch das ficht ihn nicht an: „Jahrhundertelang unterschied man nicht zwischen ziviler und militärischer Schifffahrt“, sagt Tamm, dessen Villa an der noblen Elbchaussee von Minen, Kanonen und einem Torpedo-Schnellboot der ehemaligen NVA-Volksmarine umstellt ist. Zu Gruppenführungen kommen 30.000 Besucher im Jahr.

Doch auf den Militaria-Anteil richtet sich die Kritik der Fachleute gar nicht. Geteilte Meinungen herrschen eher bezüglich des wissenschaftlichen Werts der bunt zusammengewürfelten Exponate: Die Sammlung der kleinen Schiffsmodelle etwa besteche vor allem durch Vollständigkeit, heißt es. Die größeren Schiffsmodelle dagegen „sind meist Liebhabermodelle, deren wissenschaftlicher Wert gleich null ist“, so ein Fachmann.

Dass sich in der Tamm‘schen Sammlung auch viele wertvolle Stücke finden, leugnet dabei niemand: „Herr Tamm hat eine einzigartige Bibliothek“, betont Gisela Jaaks, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte, das durch Tamm starke Konkurrenz bekommt. Dass sie frei von Neid sei, behauptet sie gar nicht erst: „Natürlich könnten alle Museen 30 Millionen Euro gut gebrauchen.“ Doch allzu weit wagt sie sich nicht vor: „Es gilt die Herausforderung anzunehmen, die das zusätzliche Museum bedeutet“, sagt Jaaks mit dem Mut der Verzweiflung. „Dies ist für uns Anlass, den Hamburg-Schwerpunkt stärker zu profilieren, während Herr Tamm eher international orientiert ist.“

Härtere Worte findet Kunsthallen-Direktor Uwe M. Schneede: „Es ist nicht einzusehen, dass hier ein neues Museum aufgebaut wird, das nicht in Kooperation mit den vorhandenen Häusern entsteht, die auf diesem Sektor etwas zu bieten haben.“ Den Wert der Sammlung Tamm mag Schneede nicht einschätzen, aber unter dessen Gemälden findet sich keins, das Kunsthallen-Ansprüchen genügt. „Tamms meist im 19. Jahrhundert entstandenen Seestücke wurden nach maritimen Gesichtspunkten zusammengestellt. Wenn wir selbst Gemälde dieser Epoche erwerben, sind das hochkarätige Werke – etwa von Philipp Otto Runge.“

Deutlich zurückhaltender äußert sich Axel Feuß, Direktor des Altonaer Museums, dem das neue Museum Tamm ebenfalls Besucher abziehen könnte: „Herr Tamm hat viele bedeutende Dinge. Deren Wert bemisst sich unterschiedlich: Die Schiffsmodelle haben vor allem als Sammlung einen ideellen Wert.“ Von hohem materiellem Wert sei dagegen Porzellan von Kriegsschiffen und U-Booten, „etliches davon allerdings mit Nazi-Emblemen. Und dies auszustellen ist immer heikel, weshalb gerade solche Exponate dringend kommentiert gehören“, fordert Feuß, der wie Jaaks gelegentlich mit Tamm kooperiert. Auch die Schau art maritim, seit 1985 Begleitveranstaltung der hanseboot, wird großteils von Tamm bestückt.

In anderen Worten: Tamms Einfluss ist groß, und niemand möchte es sich verscherzen mit dem Sammler, der auch kurzfristig mit Ausstellungen einspringt. Doch hat er erst das eigene Museum, werden sich die Akzente verschieben: Dann können Besucherströme im großen Stil umgelenkt werden, und das nicht nur innerhalb Hamburgs. Zugeben mag allerdings niemand an Nord- und Ostseeküste, dass er sich sorgt. „Eine Konkurrenz fürchte ich erst mal nicht“, sagt Hans-Walter Keweloh, Direktor des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven. „Ich finde es gut, wenn ein Bewusstsein für die Seefahrt geweckt wird“, sagt der Leiter des 1975 eröffneten Museums, das es auch bisher schon „schwer hatte, in Hamburg auf den Markt zu kommen. Andererseits leben wir hauptsächlich von Ferntouristen.“

Ob ihm Tamm, der im Verwaltungsrat des Bremerhavener Museums ist, aber nicht den Rang ablaufen wird? Grund zur Sorge hätte Keweloh durchaus, ist das Deutsche Schifffahrtsmuseum mit 7.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche doch um satte 11.000 Quadratmeter kleiner als das geplante Museum Tamm. Auch die Furcht, dass der finanzkräftige Sammler den darbenden Museen attraktive Stücke wegkaufen könnte, ist berechtigt; bestätigen möchte das allerdings niemand.

Verzweifelt optimistisch argumentiert auch Stephan Huck, Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums in Wilhelmshaven; Tamm sitzt dort im Kuratorium. „Ich glaube nicht, dass eine allzu starke Konkurrenz eintritt“, sagt der Leiter des 600 Quadratmeter großen Hauses, das – wie alle Museen – Besucherrückgänge von zehn Prozent verzeichnet. Bezüglich des Werts der Tamm‘schen Sammlung hält sich Huck auffallend zurück: „Ich kenne die Exponate nur vom Hörensagen und glaube schon, dass wir einige davon gebrauchen könnten.“

Doch wie soll die künftige Präsentation der Sammlung Tamm eigentlich aussehen? Existiert ein wissenschaftliches und didaktisches Konzept? „Die Schau soll abwechslungsreich gestaltet werden“, orakelt der Sammler. Voraussichtlich allerdings von Tamms – in Fachkreisen nicht durchgängig als kompetent eingeschätztem – eigenem Team. „Die Aufarbeitung obliegt Herrn Tamm“, bestätigt Kulturbehörden-Sprecher Andreas Ernst. Ein externer Kurator, der das neue Museum anhand wissenschaftlicher Kriterien gestalten könnte, sei nicht geplant.

Kein Korrektiv also weit und breit – und das angesichts einer Sammlung, deren Wert, so Museumskreise „sicher zu hoch angesetzt ist. Herr Tamm hat ja alles Schwimmbare gekauft oder sich schenken lassen“, ist da zu hören. „Eine wissenschaftliche Institution verfolgt natürlich eine andere Sammlungspolitik.“

Befremden also überall angesichts der millionenschweren Senatsentscheidung für einen Privatier; ein geradezu zynisches Signal in Zeiten sinkender Kulturetats außerdem. Und nur vage klingt unter Museumsleuten die Hoffnung an, dass in dem neuen Haus etwas entstehen möge, das nicht nur populär ist, sondern auch fundiert den Bildungsauftrag eines Museums erfüllt.

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