Opposition geht in Skopje auf die Barrikaden

Mazedonier protestieren gegen Gesetz zur territorialen Neuaufteilung. Dieses würde die Position der Albaner stärken

BELGRAD taz ■ In Mazedonien steht das Barometer derzeit auf Sturm. Oppositionsparteien sprechen entrüstet vom „Hochverrat“ der Regierung, dem „Anfang vom Ende Mazedoniens“, drohen mit Protesten und Straßenblockaden. Das Innenministerium bereitet sich auf mögliche „ethnisch motivierte“ Konflikte zwischen den slawisch-orthodoxen Mazedoniern und der albanischen Minderheit vor.

Am vergangenen Freitag wäre Verteidigungsminister Vlado Boskovski in der Stadt Struga fast gelyncht worden. Bei Auseinandersetzungen der mazedonischen Opposition mit der Polizei, die den Minister beschützte, wurden 40 Personen verletzt.

Auslöser der Empörung ist ein neues Gesetz über die „Dezentralisierung und territoriale Neuaufteilung“. Dieses sieht vor, die Anzahl der Gemeinden von 123 auf 80 zu reduzieren. In allen Gemeinden, in denen Albaner mehr als 21 Prozent der Bevölkerung stellen – wie auch in der Hauptstadt Skopje –, soll Albanisch neben Mazedonisch als zweite Amtssprache eingeführt werden. Nach der Neuaufteilung würden die Albaner in rund fünfzig Prozent der Gemeinden fortan die Mehrheit stellen. Vor allem im Westen des Landes würde in einigen mazedonischen Gemeinden die lokale Selbstverwaltung an die albanische Mehrheit übergeben werden müssen.

„Nur über unsere Leichen“, sagen Mazedonier in Struga, die sich jeden Abend versammeln, um ihre „Bereitschaft zum Widerstand“ zu zeigen. Die Verabschiedung des Gesetzes müsse „mit allen Mitteln“ verhindert werden. Krisenstäbe sollen einen „Verteidigungsplan“ ausarbeiten. Unvorstellbar sei, dass man in Struga statt des slawisch-orthodoxen Stadtfestes Mitrovdan künftig den „Tag der albanischen Fahne“ feiert, sagte der Bürgermeister Romeo Dereban.

Einige mazedonische Akademiker bezeichnen den Gesetzvorschlag als „unverzeihliches Verbrechen“. Exverteidigungsminister Vlade Popovski spricht von einer „De-facto-Föderalisierung“ Mazedoniens. Die Schaffung „kompakter Territorien mit einer albanischer Mehrheit in der lokalen Selbstverwaltung“ könne zu einer Unabhängigkeit des an den Kosovo grenzenden Westen des Landes führen. Dies sei vor drei Jahren das Ziel des albanischen bewaffneten Aufstands und der albanischen Befreiungsarmee gewesen, die jederzeit wieder zu den Waffen greifen könnte. Der Konflikt war 2001 mit dem durch internationale Vermittlung zustande gekommenen „Abkommen von Ohrid“ vorerst beigelegt worden.

Mit dem Gesetzesentwurf kommen der regierende Sozialdemokratische Bund und die Liberale Demokratische Partei ihrem Koalitionspartner, der albanischen Demokratischen Union für Integration, sowie der „Empfehlung“ des Westens entgegen. So lobte denn auch der EU-Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, den „mutigen“ Zug der mazedonischen Minderheitsregierung. Am vergangenen Wochenende versuchte sich Mazedoniens Präsident Branko Crvenkovski der Rückendeckung aus Brüssel zu versichern. Bei einem Besuch warnte er vor möglichen „Unruhen“ in seinem Land und bat um internationalen Beistand.

Unterdessen haben mazedonische Oppositionsparteien, angeführt von der VMRO-DPMNE, für heute zu Massendemonstrationen vor dem Parlament in Skopje aufgerufen. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Verabschiedung des Gesetzes und damit die „Albanisierung Mazedoniens“ zu verhindern. ANDREJ IVANJI