Der Exfreund von Heidi Klum

Reif für die Gala: Zum Freiluftkonzert der Red Hot Chili Peppers in der Wuhlheide pilgerten Fans aller Altersstufen – und bekamen die Show auf die Leinwand vergrößert

Gibt es ein typisches Wuhlheide-Publikum? Allein anhand der Menschenmassen, die sich in Richtung der Freilichtbühne schieben, lässt sich schwer erraten, wer dort an diesem Abend spielen soll. Es könnte auch Chris de Burgh sein oder Pur, aber es sind die Red Hot Chili Peppers.

Neben hippen,16-jährigen Mädchen in Hüftjeans und ihren Freunden, die einen modischen Seitenscheitel tragen, strömen auch eine Menge Ehepaare um die vierzig zum Konzert und manche dauergewellte Karstadt-Kundin. Die Red Hot Chily Peppers sind heute eben beides: eine angesagte Band mit angemessener, wenn auch lange zurückliegender Alternative-Rock-Vergangenheit. Und ein etablierter Mainstream-Act für die ganze Familie, dessen Singles im Formatradio laufen und stets im oberen Bereich der Charts landen.

So dürfte es auch etliche zum Wuhlheide-Konzert gezogen haben, die Sänger Anthony Kiedis in erster Linie aus der Gala kennen, als Exfreund von Heidi Klum. Das beschert der Wuhlheide Open-Air-Business as usual: Auf dem oberen Rundgang reiht sich eine Imbissbude an die nächste, und trotz unfassbarer Bierpreise (drei Euro!) bilden sich lange Schlangen vor den Tresen. In diesem Ambiente teilt sich das Publikum in zwei Gruppen: Die Hab-ich-mal-von-gehört-warum-also-nicht-mal-hingehen-sind-ja-nur-fünfzig-Tacken-Besucher sitzen oben auf den Tribünen oder stehen dort am Bierrondell an, während sich die Von-Anfang-an-dabei-Fans mit den Teenies unten vor der Bühne drängen, und sich immer mal wieder ein Tütchen drehen.

Nachdem die Vorband ihre Arbeit verrichtet hat, bringt sich das Publikum allmählich mit „La Ola“-Wellen und lautem Pfeifen in Stimmung. Und endlich treten dann die vier Kalifornier auf die Bühne, als letzter Sänger Anthony Kiedis mit Pilzfrisur. Sofort setzt infernalisches Mädchengekreische ein, dann erklingt auch schon der aktuelle Wiedererkennungs-Hit „By the way“, und alle klatschen im Takt und singen auch ohne Textkenntnis mit.

Die Band bemüht sich, die Standardrituale einer Open-Air-Show ein wenig zu variieren: Bassist Flea führt wilde Verrenkungen aus, und Frontmann Anthony dreht sich leicht schwankend im Kreis wie ein angeschossener Derwisch. Das Bühnengeschehen wird auf eine viergeteilte Leinwand im Hintergrund vergrößert, manchmal durch psychedelische Muster verfremdet.

Die Band spielt hauptsächlich Stücke der letzten beiden Alben, auch ein, zwei ganz neue Sachen. Doch am meisten Zuspruch erhalten die Klassiker wie „Give it away“: Schon bei den Takten schreit das Publikum wissend auf und beginnt, wild auf fremden Füßen herumzuspringen. Und bei der Zugabe „Under the bridge“, die Kiedis mit inzwischen freiem Oberkörper vorträgt, schwenken die Massen andächtig ihre Feuerzeuge.

„It’s a nice place here, nice tent, nice sky“, lässt sich Anthony Kiedis da zu einer routinierten Entertainer-Schmeichelei hinreißen. „But without you, it would be nothing!“

TINA GINTROWSKI