Ohne Sozialpädagoge droht die Schließung

Neue Vorgaben vom Arbeitsamt für Vereine, die ausbilden: Wer formale Kriterien nicht erfüllt, kriegt kein Geld mehr

Bis zu zwölf Azubis jährlich bildet der kleine Kreuzberger Verein „Zukunft im Beruf ZiB“ dreieinhalb Jahre lang zu Elektroinstallateuren aus. Die Jugendlichen nahmen Drogen oder sind vorbestraft, haben einen schlechten oder gar keinen Schulabschluss. Das Arbeitsamt finanziert die Ausbildung, weil die Jugendlichen ohne sie keine Chance auf dem Ausbildungsmarkt hätten. Seit 1982 gibt es ZiB, seit Anfang dieses Jahres muss das Arbeitsamt die formalen Kriterien stärker berücksichtigen als seine Erfahrungen mit den Ausbildern. Kleine Vereine können oft nicht mithalten, ZiB steht deshalb jetzt vor dem Aus.

Seit 1997 werden die Aufträge zur Ausbildung nicht mehr vom Arbeitsamt verteilt, sondern offen ausgeschrieben. In Mitte, dem größten der vier Berliner Arbeitsamtsbezirke, gibt es in diesem Jahr 400 Plätze in 27 Berufen. 253 Firmen und Vereine bewarben sich dafür. Darunter viele, die bisher nur Erwachsene umgebildet haben und mit Jugendlichen dieser Zielgruppe noch keine Erfahrungen gemacht haben.

Seit diesem Jahr muss das Arbeitsamt verstärkt nach formalen Kriterien entscheiden, welche Ausbildungsstelle gefördert wird und welche nicht. Es sollen nicht mehr die Beamten entscheiden, die die Vereine seit Jahren kennen. Das Amt und der kontrollierende Rechnungshof möchten so Transparenz schaffen und Korruption verhindern. Der Nachteil ist, dass formale Kriterien eben nicht immer die sind, die im Alltag entscheiden.

Ein Beispiel: Seit der Gründung arbeitete nur zweimal ein Sozialpädagoge bei ZiB, obwohl die „Leistungsbeschreibung“ des Arbeitsamtes einen vorsieht. Bisher waren immer Ausnahmen möglich. Jetzt darf das Amt ZiB aus diesem Grund nicht mehr berücksichtigen, obwohl selbst im Ablehnungsbescheid steht, dass ZiB „bislang gute Ausbildungserfolge hatte“. So kommt es, dass ein Verein mit 20 Jahren Ausbildungserfahrung nicht mehr gefördert werden kann. Und dass eine große Firma am Stadtrand ohne Erfahrung – aber mit Sozialarbeiter – die Ausbildung billiger anbietet und dann den Zuschlag erhält.

Mit zwölf neuen Auszubildenden hatte ZiB in diesem Jahr gerechnet. Weil die nun wegfallen, verliert der Verein jährlich gut 100.000 Euro Förderung durch das Arbeitsamt, ZiB droht die Schließung. Die Jugendlichen im zweiten Ausbildungsjahr könnten dann nicht mehr bis zum Ende ausgebildet werden. Aus dem Arbeitsamt Mitte heißt es, man bekomme mit, dass viele kleine Vereine in den Kiezen nicht mehr mithalten können. Helfen würde man gerne – das bestätigt auch ZiB –, aber um die neuen Vorgaben aus der Zentrale des Arbeitsamtes komme man nun mal nicht herum.

SEBASTIAN HEISER