Im Darkroom des Rechts

Nicht nur für Homopaare: die notariellen Musterverträge eines bayerischen Anwalts

„Neben Analverkehr zählen zu einem erfüllten geschlechtlichen Verhältnis auch manuelle und orale Befriedigung“ – über die Frage, wie man homosexuelle Beziehungen ins Amtsdeutsche übersetzen und ordnungsgemäß beurkunden kann, zerbricht sich ein Notar ausgerechnet im bayerischen 12.500-Seelen-Kaff Regen, über 100 Kilometer vom nächsten Darkroom entfernt, den Kopf. Der Anlass: Seit zwei Jahren dürfen sich Lesben und Schwule in Deutschland mit rot-grünem Segen „verpartnern“, doch einzig im CSU-regierten Freistaat müssen sie dafür zum Notar.

Dr. Dr. Herbert Grziwotz heißt der Mann, der sich so sehr über die Abwechslung in seinem staubtrockenen Job gefreut hat, dass er gleich ein dickes „Beratungshandbuch Lebenspartnerschaft“ veröffentlicht hat. Darin beklagt er einerseits die fehlenden steuerlichen Erleichterungen für heiratswillige Homos. Andererseits winkt er verzauberten Paaren, die gerade aus diesen Gründen vor einer „Verpartnerung“ zurückschrecken, ganz geschäftstüchtig mit notariell beglaubigten Verträgen. Rund 70 Formulierungsvorschläge hat er dafür in seinem Buch parat.

In seinen Musterklauseln hat Dr. Dr. Grziwotz an alles gedacht: „Sofern nicht gesundheitliche Gründe entgegenstehen, wollen wir wöchentlich mindestens dreimal Geschlechtsverkehr miteinander haben“, lautet eine seiner Standardformulierungen. „Ggf. kann der Einsatz von Hilfsmitteln wie z. B. von Massagegeräten, Dildos, Latex- und Lederbekleidung sowie Gleitmitteln vereinbart werden“, ergänzt eine Fußnote. Die Grziwotz’sche Regelungswut für eine erfüllte Partnerschaft kennt keine Grenzen: „Für jeden Orgasmus, den Ludwig Lohn bei sexuellen Handlungen mit Hinnerk Hein erlebt, hat er in eine spezielle Kasse einen Betrag von 20 Euro einzubezahlen“, schlägt der Notar als weitere Musterklausel vor. „Dieses Geld wird dafür verwandt, gemeinsam zum Essen zu gehen. Den Tag legen wir einvernehmlich fest. Das Lokal legt Hinnerk Hein fest.“

Hat der Herr Notar einfach zu viel gekifft? „Viele der angesprochenen Themenbereiche beruhen auf Anregungen von schwulen und lesbischen Paaren“, stellt Dr. Dr. Grziwotz in seinem Vorwort klar. Der „Trend zur Verhandlungsbeziehung“ verlange nun mal „neuartige Anforderungen an die juristische Beratung“. Nicht die Lösung auftretender Konflikte stehe dabei im Vordergrund, sondern „die Vermeidung künftiger Probleme durch Gestaltung“. Weshalb er Musterformulierungen sowohl für monogame Paare anbietet wie für Freunde des Seitensprungs: „Wir entbinden uns von der etwa bestehenden gesetzlichen Pflicht zur Treue. Wir verpflichten uns, bei geschlechtlichen Kontakten mit Dritten Kondome zu verwenden.“

Die einstige Rache des Edmund Stoiber an der Homoehe scheint sich zum Bumerang zu entwickeln: Hätte der bayerische Ministerpräsident vor zwei Jahren geahnt, was sich ein ehrwürdiger Notar seines Freistaates einmal so zurecht formulieren würde, hätte er die heiratswütigen Homopaare wohl doch lieber zum Standesamt geschickt.

MICHA SCHULZE