Europäische Polizisten weiter ohne Chef

EU-Minister bleiben trotz „Einigung“ auf neue Ausschreibung über Besetzung der Europol-Spitze zerstritten

BERLIN taz ■ Klaus Jansen, Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, hat von Jürgen Storbeck eigentlich eine hohe Meinung: „Ein anerkannt guter Fachmann und ein Erzdemokrat.“ Der so hoch Gelobte ist der Direktor von Europol, der gemeinsamen europäischen Polizeibehörde in Den Haag. Derzeit allerdings nur kommissarisch, denn seine reguläre fünfjährige Amtszeit ist Ende Juni zu Ende gegangen. Richtungsentscheidungen über die Zukunft der 400-Mann-Behörde kann er in dieser Situation nicht mehr fällen.

Rechtzeitig einen Nachfolger zu benennen, haben die Innen- und Justizminister der EU jedoch „schlicht verpennt“, wie es in Polizeikreisen heißt. Schon seit Monaten können sich die Innen- und Justizminister der EU nicht über die Neubesetzung auf dem Chefsessel von Europol einigen. Nachdem die Dringlichkeit der Nachfolgefrage erkannt worden war, stellten Italien, Frankreich und die Bundesrepublik flugs eigene Kandidaten auf.

Damit war das Chaos perfekt. Der italienische Bewerber sei allgemein „ohne große Begeisterung“ zur Kenntnis genommen worden, ist zu hören. Somit war er im Grunde nur noch nominell im Rennen, denn bei der Entscheidung über einen Europol-Direktor gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Sein französischer Konkurrent steht bereits kurz vor der Pensionierung und gilt damit als zu alt für eine volle Amtsperiode. Zudem wird kolportiert, er spreche die Europol-Amtssprache Englisch nur mangelhaft.

Deutschland will den Amtsinhaber Storbeck für weitere fünf Jahre auf dem Chefsessel halten, was wiederum bei einigen EU-Mitgliedern auch auf Vorbehalte stößt. Ohne die starre Haltung zwischen Deutschland und Frankreich hätte es vermutlich zu einer Einigung kommen können. Doch kompromisslos bestanden beide Seiten auf ihrem Kandidaten.

In dieser ausweglosen Situation haben sich die zuständigen EU-Minister nun darauf verständigt, mit dem Auswahlverfahren noch einmal ganz von vorn zu beginnen. Dem Vernehmen nach soll Jürgen Storbeck dabei erneut ins Rennen geschickt werden. Wie immer es ausgeht, das Prozedere wird etliche weitere Monate dauern.

Doch nicht nur hinter den politischen Kulissen wird heftig gerungen, auch auf der Seitenbühne der Polizeien wird gerangelt. Ohne Storbeck wäre auf der Leitungsebene von Europol nämlich kein deutscher Kripomann mehr vertreten. Eine nationale Katastrophe? Nun, zumindest der Posten eines Vizedirektors müsse schon drin sein, heißt es bei der Gewerkschaft der Polizei. Schließlich verfüge die Bundesrepublik mit knapp 270.000 Polizisten über den größten nationalen Polizeiapparat, füttere mit einem Input-Anteil von rund 60 Prozent die Europol-Computer am kräftigsten und bestreite etwa ein Drittel des gesamten Europol-Haushalts. So viel Engagement müsse sich auch personell niederschlagen.

Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter sind das keine Argumente. Der Vorsitzende Jansen verlangt Sachentscheidungen und einen „europäischen Polizeimanager, egal woher“.

OTTO DIEDERICHS