Die deutsche Angst um Berlin

Die Deutschen befürchten Anschläge und pöbelnde Hooligans bei der Fußball-WM 2006. Vor allem Berlin halten sie für gefährdet. Nürnberg wird gar nichts zugetraut

Die Deutschen kennen Berlin schlecht. Und eine weit verbreitete deutsche Reaktion auf Unbekanntes ist: Angst. Restdeutschland hat aber keine Angst vor Berlin, sondern Angst um Berlin. Denn der Stadt wird allerhand zugetraut: Terroranschläge und randalierende Hooligans beim Finale der Fußballweltmeisterschaft 2006 zum Beispiel.

Eine Studie der Universität Hohenheim kommt zu dem Schluss, dass die Deutschen Berlin als besonders gefährlichen Spielort der WM 2006 einschätzen. Etwa 2.400 Menschen in der ganzen Bundesrepublik wurden dazu befragt. Ein Großteil hält demnach Berlin sogar für die weitaus gefährlichste Spielstätte. Abgeschlagen dahinter folgen die Großstädte Frankfurt, Hamburg und München.

Die Angst um Berlin ist kein Wunder, nur die Gründe überraschen. Die Befragten fürchten vor allem Terroranschläge durch religiöse Extremisten. Kurz dahinter rangieren auf der Skala Ausschreitungen durch Alkohol und randalierende Hooligans. Vor allem die Terrorismus-Angst lasse sich mit der „exponierten Rolle Berlins als Bundeshauptstadt“ erklären, so der Leiter der Studie, Professor Markus Voeth.

Verständlicher wäre die Furcht vor Fehlinvestitionen und peinlichen Auftritten. An Beispielen allein bei der Vorbereitung zur WM mangelt es nicht.

Die Stadt, die so gern echte Metropole spielt, sanierte standesgemäß das traditionsreiche, symbolträchtige und gemütlich gelegene Olympiastadion für mal eben 242 Millionen Euro. Dummerweise wurde dabei vergessen, dass auch Rollstuhlfahrer Fußball gucken können. Sie wurden abgeschoben – auf so schlechte Plätze, dass sie nichts sehen können. Sportsenator Klaus Böger (SPD) verkündet dennoch: „Nach der Fußballweltmeisterschaft 2006 wird dieses Stadion Kulturgeschichte sein.“

Auch die Internetseite, mit der sich Berlin der weltweiten Fußballfangemeinde präsentiert, ist eher peinlich. Ein Countdown bis zum Tag des Endspiels ist noch nachzuvollziehen. Doch eine schon jetzt geschaltete Live-Webcam ist gänzlich unnötig. Sie erlaubt es lediglich, bis zum Tag des Endspiels (9. Juli 2004), dem Gras vor dem Stadion beim Wachsen zuzusehen.

Typisch Berliner Einfältigkeit auch bei der Werbekampagne: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der „Berliner WM-Botschafter“ Michael Preetz (Hertha BSC) präsentierten stolz ganze fünf (!) Velotaxen, die mit dem WM-Logo bedruckt sind. Diese enorme Flotte soll also auf das Großereignis aufmerksam machen.

Der am wenigsten gefährliche Ort für WM-Spiele ist nach Ansicht der Befragten übrigens Nürnberg. Komisch eigentlich, denn mit Massenveranstaltungen haben sowohl Berlin als auch Nürnberg einige ähnliche Erfahrungen: Während in der Hauptstadt die Olympischen Spiele stattfanden, traf sich die „Volksgemeinschaft“ im süddeutschen Städtchen zu Reichsparteitagen. Von all dem lassen sich die Deutschen den Spaß auf die WM nicht vermiesen. Mehr als 80 Prozent der Befragten freuen sich der Studie zufolge auf das Sportereignis. OLIVER TRENKAMP