Professur light kommt an

Mit 45 Juniorprofessuren hat die Humboldt-Uni deutschlandweit die Nase vorn. Eine hausinterne Studie ergab nun: Die Zufriedenheit ist groß, trotz Kritik an der knappen Zeit für eigene Forschung

VON CHARLOTTE NOBLET

Er kann frei lehren und forschen, seine Diplomanden und Doktoranden betreuen, in der akademischen Verwaltung mitarbeiten und Gutachten erstellen sowie publizieren. Der 35-jährige Postdoktorand Oliver Wilhelm ist Juniorprofessor am Institut für Psychologie der Humboldt-Uni – einer von 45 Juniorprofessoren der runderneuerten Traditionsuni.

Der junge Nachwuchsforscher schmiss im Mai 2002 seinen Job im Department of Psychology der University of Arizona – und kam für die Juniorprofessur zurück an die HU. „Ich hätte in den USA zwar mehr verdient, aber das Umfeld der Forschungseinrichtungen ist in Berlin besser. Seine Ausstattung sei zwar begrenzt, aber die Arbeits- und Forschungsatmosphäre gut.

Der dynamische Doktor nahm an der hausinternen Umfrage der HU zur Juniorprofessur teil, nach der 87 Prozent der Nachwuchsprofs sich völlig frei in Forschung und Lehre fühlen – und damit sehr zufrieden sind. „Alle würden es wieder tun“, sagt HU-Sprecherin Mirjam Müller.

Vor gut zwei Jahren hatte sich die HU als eine der ersten deutschen Hochschulen für das Modell der Professur light erwärmen können. Heute lehren Unter den Linden in allen Fakultäten, außer der juristischen, deutschlandweit die meisten Juniorprofs. An der TU gab es im Mai bereits 11 und an der FU werden es in Kürze 42 JuniorprofessorInnen sein.

Die Junioren müssen vier Semesterwochenstunden unterrichten und in Hochschulgremien mitarbeiten. Für die eigene Forschung bleibt den HU-Junioren allerdings nur rund ein Viertel ihrer Zeit. Zu wenig, finden viele. Um die auf drei Jahre befristete Anstellung zu verlängern, müssen die Nachwuchswissenschaftler nach zweieinhalb Jahren Forschungsergebnisse vorlegen. Diese Frist sehen manche als zu kurz an.

Dennoch scheinen die Vorteile für die Befragten an der Humboldt-Universität zu überwiegen: Mehrheitlich bewerteten sie ihre Karrierechancen als gut. Die Hälfte von ihnen ist sich zudem sicher, auch ohne die klassisch notwendige Habilitation weiterzukommen.

Oliver Wilhelm will sich darauf nicht verlassen: „Nach meiner Juniorprofessur werde ich habilitieren, weil mehrere Universitäten die Habilitation als Auswahlkriterium Nummer eins beibehalten.“ Tatsächlich müssen amtierende JuniorprofessorInnen eine schwierige Wahl treffen: Habilitieren sie sich, unterlaufen sie die Chancen, die das habilfreie Modell bietet. Habilitieren sie sich nicht, kann ihre junge Karriere schon bald wieder enden. „Die Umsetzung der Juniorprofessur ist noch nicht perfekt“, meint Katharina Landfester, Sprecherin der Jungen Akademie, eines Zusammenschlusses von Nachwuchswissenschaftlern. Habilitation gelte zurzeit immer noch als der Königsweg zu höheren akademischen Laufbahnen, aber im Jahr 2010 sollte die Juniorprofessur der Regelweg zum Lehrstuhl sein.

Bis sich das Modell light ohne quälende Jahre am Schreibtisch mit einer Habil – die, zumindest wenn auf Deutsch geschrieben, international ohnehin nicht zur Kenntnis genommen wird – durchsetzt, werden noch Jahre vergehen. Der Übergang zu einer neuen Personalstruktur – bei dem die Abschaffung der wissenschaftlichen AssistentInnen und Veränderungen im Profil der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen eine Rolle spielen – ist ähnlich schwierig wie die Durchsetzung der Juniorprofessur selbst. All dies bedeutet einen einschneidenden Wandel im traditionellen deutschen Hochschulsystem. Das braucht Zeit.

Für die nächste Generation von Juniorprofessoren wünscht sich Oliver Wilhelm auf jeden Fall schon die Einführung eines „tenure track“, sozusagen der Weg zur Dauerprofessur, wie er in den USA üblich ist. Durch gute Leistung werde auf diese Weise eine Festanstellung erreicht. „In kleinen Fachbereichen wie meinem gibt es manchmal zwei Jahre lang keine freie Professur“, erklärt der Nachwuchsforscher. „Also werden wir bisweilen sechs Jahre lang umsonst evaluiert.“

Einen Vorteil hat das Modell Juniorprof bereits gezeigt: Die Familienplanung! 40 Prozent der HU-Juniorprofessorinnen haben Kinder. Auch die Frauenquote liegt mit rund 30 Prozent deutlich über dem bundesweiten Anteil ordentlicher ProfessorInnen. Der lag Ende 2003 bei lediglich 13 Prozent.