Exportgut Musik

Deutsches auf den Plattenteller: Seit einem halben Jahr bemüht sich das hiesige Musikexportbüro um die Erschließung ausländischer Märkte

VON GUNNAR LEUE

Musikpreise gibt es eine Menge, doch kaum einer dürfte so unterschiedlich bekannte Preisträger vereinen wie der „European Border Breakers Award“. Den verlieh die EU-Kommission erstmals unter anderem an die Britrocker The Darkness, die spanische Mädchenband Las Ketchup, das französische Model Carla Bruni und die Hamburger Band Masterplan. Der Grund: Sie alle waren 2003 jeweils die erfolgreichsten nationalen Newcomer außerhalb ihrer eigenen Länder. Die EU ehrt mit der Auszeichnung die erfolgreichsten europäischen Pop-Exporte und will zusammen mit der Musikbranche den Austausch von Popmusik über Ländergrenzen hinaus fördern. Freilich gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen The Darkness und Masterplan: Erstere sind bereits weltweit bekannt, Letztere noch kaum.

Peter James ist angetreten, das zu ändern. Er leitet das in Berlin ansässige Musikexportbüro „GermanSoundsAG“, das nach langen Anläufen Ende 2003 gegründet wurde. Es soll dabei helfen, dass mehr Rock und Pop aus deutschen Landen in der Welt verkauft wird. Gründungsmitglieder sind unter anderem der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft und die Verbände unabhängiger Tonträgerunternehmen, der Musikverleger, der Veranstalter, der Musikmanager sowie der Deutsche Musikrat. Zudem bekommt das Musikexportbüro in seiner Anfangsphase auch von der Bundesregierung eine Anschubfinanzierung.

Warum man ein Musikexportbüro überhaupt braucht, erklärt Peter James damit, dass der deutsche Unterhaltungsmarkt, immerhin der drittgrößte der Welt, längst zu einem Importmarkt geworden sei. Laut Gema würde viermal mehr an Lizenzen für Musikstücke ins Ausland gezahlt, als umgekehrt hierher fließen. „Es gibt immerhin 150.000 Kreative und 5.000 kleine und mittelständische Unternehmen hierzulande. Wir wollen ihnen helfen, auch im Ausland aktiv zu werden.“ Deutsches Repertoire und deutsche Künstler dort stärker bekannt zu machen hält er noch aus einem anderen Grund für wichtig: „Es richtet den Fokus auf die vielen interessanten Facetten zeitgemäßer Musikkultur, nicht nur Popmusik, die wir in Deutschland haben.“

Vorbild sind die Franzosen, die schon seit zehn Jahren ihre Musik über ein Exportbüro gezielt im Ausland promoten. Mit der Folge, dass sich die Verkaufszahlen französischer Musiker im Ausland seitdem um das Zehnfache erhöhten. Ähnliche Institutionen gibt es auch in Skandinavien, Irland, Italien, Holland oder Spanien.

Eine andere Frage ist, wie groß überhaupt das Interesse an deutscher Musik im Ausland ist. „Hoch“, findet Peter James, „besonders im Bereich der elektronischen Musik, gerade in den USA.“ Schon als Verbandspräsident der Independent-Labels sei er häufig gefragt worden, „warum wir nach dem weltweiten Erfolg von Bands wie Can, Kraftwerk oder Tangerine Dream nicht aktiver geworden sind“.

Schwieriger wird es dagegen mit einer Einschätzung, welche Musik aus Deutschland darüber hinaus international ankommt, denn halbwegs verlässliche Erfahrungen gibt es kaum. „Bei Rammstein und Nena kann man sagen, sie bedienen deutsche Klischees im Ausland. Aber beispielsweise sind auch Mittelalterbands wie Subway to Sally im Ausland sehr erfolgreich. Gerade die Amerikaner sagen immer wieder: Wir erwarten von euch keinen üblichen Mainstreamrock, sondern Zeug mit Ecken und Kanten. Nina Hagen ist das beste Beispiel. Das ist wie in der Filmindustrie. Wir Deutschen brauchen nicht mit Hollywood zu konkurrieren, sondern müssen mit dem Besonderen kommen.“

Das Musikexportbüro will nicht zuletzt kleine und mittlere Labels, deren Musik im Ausland auf Interesse stößt, unterstützen: durch die Analyse ausländischer Märkte und das Aufzeigen, welche Festivals, Messen und gesetzlichen Vorschriften existieren, mit welchen Institutionen, Medien und Partnern vor Ort man zusammenarbeiten kann. Trotzdem sollen auch die Major-Labels von der Arbeit profitieren, auch wenn sie sich als deutsche Dependancen von Weltkonzernen verstärkt auf international vermarktbaren Mainstream konzentrieren und nationale Künstler zunehmend ausrangieren. „Während der langfristige Künstleraufbau und die Repertoirepflege eher bei den Kleinen und Mittleren liegt und die Musikliebhaber bedienen, sind die internationalen Konzerne für den Massenkonsum zuständig“, sieht Peter James die Zukunft der Musikindustrie.