„Hatte wohl böse was damit zu tun“

1985 reichte die Spurenanalyse nicht zur Anklage. Erst moderne DNA-Tests brachten den mutmaßlichen Mörder einer 75-jährigen Bremerin jetzt vor Gericht: Er habe die Großmutter seiner Ex-Frau vergewaltigt und erwürgt. Sicherungsverwahrung?

bremen taz ■ Zwei Personen hat er schon getötet. Einen Mann und eine Frau. Jetzt sitzt Peter Günter W. erneut wegen Mordverdachts auf der Anklagebank des Bremer Landgerichts. Die Tat, die er begangen haben soll, liegt über 17 Jahre zurück. Nur durch die mittlerweile verbesserte Spurenauswertung per DNA-Analyse wurde er als Tatverdächtiger ausfindig gemacht – im Hochsicherheitstrakt Celle.

Dort sitzt der inzwischen 47-Jährige seit Mitte der 90er Jahre eine 14-jährige Haftstrafe wegen Mordes an einer Frau ab, die er 1984 in Bremen umgebracht hatte – um eine Sexualstraftat zu vertuschen, so damals die Richter. Diesen Vorwurf erhebt die Anklage jetzt wieder.

Opfer war danach die 76-jährige Großmutter der damaligen Ehefrau des Angeklagten. Er soll die alte Frau am 23. oder 24. Dezember 1985 in ihrer Wohnung vergewaltigt und erwürgt haben. Schon gleich nach der Tat war Peter Günther W. als vorbestraftes Familienmitglied in Verdacht geraten. Die Spurenlage hatte jedoch nicht ausgereicht. Er selbst gibt bis heute vor, sich an nichts zu erinnern.

Er habe sich kurz vor Weihnachten – „meine Frau war gerade ausgezogen“ – mit Drogen „zugeballert“, berichtete er gestern. Als er eineinhalb Tage später wieder zu Bewusstsein gelangte, habe er noch immer alles verzerrt gesehen. Wohl auch den Bluterguss, den er am Oberschenkel entdeckte. „Meine Arme taten auch ein bisschen weh, als wenn ich eine Rauferei gehabt hätte.“ Erst als die Polizei ihn zur Getöteten befragte, „zur Oma“, wie der Angeklagte bis heute sagt, sei ihm der Gedanke gekommen, „dass ich da böse was mit zu tun haben kann.“

Die Frage nach dem Motiv wird das Gericht gründlich prüfen. Der Angeklagte selbst gab sich ratlos. „Vielleicht wollte ich mit ihr reden und dann bin ich ausgerastet?“, tastete er sich an ein Geschehen heran, zu dem an vier Verhandlungstagen mehrere Zeugen gehört werden. Über seine Drogensucht und Gewalttätigkeit werden Sachverständige Entscheidendes aussagen: Zwischen verminderter Schuldfähigkeit und einer möglichen Sicherungsverwahrung liegen die Aussichten des Gefangenen, der gestern wiederholt betonte: „Nüchtern würde mir nie einfallen, einem Menschen etwas zu tun. Ich bin kein Monster.“ In Haft begegne er „ganz anderen Kalibern“, gab er seine Sicht bekannt. Die Akten bestätigen: Während der vielen Jahre, die Peter Günther W. im Knast weitgehend drogenfrei verlebt hat, war er unauffällig.

Kaum draußen aber, bricht jede Ordnung zusammen. „Warum hab’ ich das gemacht?“, fragte Peter Günther W. sich gestern selbst. „Es gibt Millionen andere Menschen, die saufen und kiffen, die bringen niemanden um.“ Vielleicht liege es an der Kindheit. Seinen biologischen Vater kenne er nicht. „Vielleicht hat der auch so ein Gewaltpotenzial wie ich“, sinnierte der Angeklagte, der mit Gerichten und Sozialarbeitern viel Erfahrung hat –auch als Opfer von Gewalt.

Mehrere Male war das spätere Heimkind von zu Hause weggelaufen. Den Frankfurter Strich zog der 13-Jährige der oft abwesenden Mutter und der Prügel des sadistischen Stiefvaters vor. „Er hat mich nie beim Namen genannt. Blau und grün hat er mich geschlagen. Dann durfte ich nicht in die Schule, damit die das nicht merken“, berichtete der Angeklagte – und klang dabei so unbeteiligt wie einer, der Gefühle schon lange vergraben hat. Auch gegenüber seinen Opfern. Und der Presse, deren Ansturm er gestern gelassen hinnahm. Erstmals wurde gestern im Landgericht ein Angeklagter eigens für Bildfotografen nach dem Richter in den Raum geführt. Eva Rhode