Ehescheidungen bald auch in Chile möglich

Doch die politische Debatte um das Scheidungsgesetz stößt selbst bei einigen jungen Leuten auf laute Proteste

BUENOS AIRES taz ■ Als eines der letzten lateinamerikanischen Länder will Chile die Ehescheidung legalisieren. Nachdem der Senat letzte Woche nach fünftägiger Debatte entschieden hatte wenigstens über ein Scheidungsgesetz zu diskutieren, schöpfen verkrachte Paare jetzt Hoffnung. Bislang sind Scheidungen in Chile illegal. Vom Gesetz her bleiben Ehepartner zusammen, bis dass der Tod sie scheidet. Doch die Realität sieht oft anders aus: Viele Ehepaare leben getrennt. Ein Recht auf Unterhaltszahlungen oder darauf, die beim getrennten Partner lebenden Kinder zu sehen, gibt es nicht.

Die Verfassungskommission des Senats hat jetzt Zeit, das Scheidungsgesetz bis zum 7. Oktober zu überarbeiten. Doch unumstritten ist es nicht: Immerhin 13 der 46 Senatoren wollten nicht über die Ehescheidung verhandeln. Im Oktober dann soll das Oberhaus abermals über jedes einzelne Kapitel des Gesetzestextes abstimmen.

Geht es nach Präsident Ricardo Lagos, dessen Koalition den Entwurf im Senat eingebracht hat, soll in Chile die Scheidung danach legal sein. Das Thema war bislang ein Tabu. In der Schlussdebatte im Senat beschwerten sich die christdemokratischen Senatoren Jorge Pizarro, Jorge Lavandero und Andrés Zaldívar darüber, dass die katholische Kirche versucht hätte, Druck auszuüben, damit der Senat Ehescheidungen weiterhin ablehnt. Zuvor hatte Kardinal Francisco Javier Errázuriz gesagt, die Kirche lehne die Scheidung ab. Paare sollten sich bei der Trauung für die Nichtauflösung der Ehe entscheiden.

Aber nicht nur die Kirche fürchtet um „die guten Sitten“. Der Senat musste für mehrere Minuten seine Sitzung unterbrochen, als eine Gruppe Jugendlicher von der Tribüne in Sprechchören und auf Transparenten gegen die Ehescheidung mobil machte. Saalordner beförderten die jungen Wilden in wenigen Minuten nach draußen. Dabei nimmt der Gesetzesvorschlag große Rücksicht auf Scheidungsgegner und mischt sich stark in das Privatleben der Ehepartner ein. So müssen Paare im beiderseitigen Einverständnis über die Scheidung zunächst drei Jahre getrennt leben, ehe sie die Scheidung beantragen können. Will sich nur ein Partner trennen, müssen sie sogar fünf Jahre getrennt gelebt haben.

Als Schiedsgericht steht den verkrachten Eheleuten ein Notar, das Standesamt oder ein Richter zur Verfügung. Der Richter entscheidet, wer die Kinder aufzieht und wie das gemeinsame Vermögen verteilt wird.

INGO MALCHER