die plagen des sommers
: Geknatter, das Nerven kostet

Die unerträgliche Freude, kein Spießer zu sein

Sie sind die Könige der Landstraße, die Letzten, die sich wirklich frei fühlen in diesem Land der Spießer, sagen die einen. Sie sind Krachmacher, die mangelnde Potenz mit hohen Drehzahlen wettmachen wollen, ätzen die anderen. Unbestritten ist: Motorräder können richtig laut sein. 80 Dezibel sind erlaubt, einige Maschinen mit illegalen Schalldämpfern erreichen bis zu 100 Dezibel. Zum Vergleich: Eine Dauerbelastung von über 65 Dezibel kann krank machen, ab 85 Dezibel muss ein Arbeitgeber für Gehörschutz sorgen.

„Wir können unser Lärmmessgerät an einer beliebigen Straßenkreuzung aufstellen, das lauteste Schallereignis ist fast immer ein Motorrad“, erklärt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Zum Dauerkrach auf den Straßen tragen Motorräder zwar nur wenig bei, zu den Lärmspitzen aber umso mehr. Auch wenn die Ingenieure in den vergangenen Jahren das Standgeräusch deutlich abgesenkt haben – wie laut ein Motorrad während der Fahrt ist, liegt in erster Linie am Fahrer: Wer beim Ampelstart den ersten Gang voll durchzieht, wird garantiert nicht überhört.

Mit Initiativen wie „Laut ist out“ versucht der Industrieverband Motorrad (IVM), die Fahrer zu einem vernünftigen Verhalten zu erziehen: „Vor einigen Jahren war man mit einer lauten Maschine noch der Held des Bikertreffens, heute ist das nicht mehr so“, hat Christoph Gatzweiler beobachtet, der das Ressort Technik beim IVM leitet. Doch die Fahrweise mancher Biker sei gar nicht größte Problem, „viel schlimmer sind sind die illegalen Schalldämpfer aus einigen europäischen Ländern“.

Das Problem: Die Auspuffteile sind auf den ersten Blick nicht illegal. Sie haben eine EU-weite Zulassung, sind also mit der EG-Plakette gekennzeichnet. Doch die Hersteller müssten die Teile ordentlich kontrollieren, und „manche nehmen es da nicht so genau“, erklärt Gatzweiler.

Wegen der offiziellen EG-Plakette kann die Polizei wenig machen. Außerdem ist es gar nicht so einfach, Lärmsünder zu überführen. Erst jetzt wird ein praxistaugliches Messgerät entwickelt, dessen Ergebnisse auch vor Gericht Bestand haben sollen, etwa wenn ein Fahrer gegen die Beschlagnahmung seiner Maschine klagt. Dieses Messgerät wird auch dann noch benötigt, wenn eines Tages die Umweltprüfung für Motorräder Realität wird, bei der die Lautstärke eine große Rolle spielen soll. „Das Problem ist, dass ein Fahrer vor der Umweltprüfung seinen Ersatzschalldämpfer in wenigen Minuten ausbauen und gegen den leisen Serienschalldämpfer austauschen kann“, sagt Reiner Stenschke von der Umweltbundesamt-Arbeitsgruppe „Lärmminderung im Verkehr“.

Der VCD hat sich unterdessen schon Strafen für Lärmsünder überlegt: Neben Drehzahlbegrenzern könnten auch Helme Wirkung zeigen, die kaum noch den Schall dämpfen – vielleicht fährt der ein oder andere rücksichtsvoller, wenn es seine eigenen Ohren sind, die schmerzen.

BERND MIKOSCH