Kuriose Zahlen

Handwerkspräsident Philipp preist die Lehrstellenlage in Baden-Württemberg – und redet ungern über den Osten

BERLIN taz ■ Hoffnungslos zuversichtlich gibt sich der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) angesichts der zu erwartenden Ausbildungssituation bei Jugendlichen. Die Lage sei zwar „angespannt“, verbessere sich aber von Monat zu Monat, erklärte Verbandspräsident Dieter Philipp gestern. Seinen Optimismus bezieht der ZDH aus einem kuriosen Zahlenvergleich mit dem nicht weniger düsteren Vorjahr.

Während im Juni dieses Jahres noch 14,5 Prozent weniger Lehrverträge als vor einem Jahr vorlagen, waren es Ende Juli „nur noch“ 11,6 Prozent. Erfahrungsgemäß herrsche während der ersten Wochen des Lehrjahres, das am 1. Oktober beginnt, außerdem noch rege Fluktuation in den Handwerksbetrieben.

In Baden-Württemberg seien noch rund 8.000 Lehrstellen offen – so im Metallhandwerk und in den Berufen Bäcker, Konditor und Fleischer –, was teils an mangelndem Interesse der Schulabgänger, aber auch an fehlender Qualifikation liege.

Die Handwerksbetriebe seien bereit, erklärte Phillip pauschal, „Ausbildungsplätze über den eigenen Bedarf hinaus bereitzustellen“. Spürbar weniger bereitwillig äußerte sich der ZDH-Präsident zur desolaten Lage in den ostdeutschen Bundesländern. Während die Bundesanstalt für Arbeit dort den größten Teil der voraussichtlich 60.000 Jugendlichen verortet, die im kommenden Lehrjahr ohne Stelle sein werden, verwies Philipp auf die hohe Mobilitätsbereitschaft der ostdeutschen Jugendlichen.

Fast 18 Prozent der unter 25-Jährigen in den neuen Bundesländern sind arbeitslos – doppelt so viele wie im Westen. Die Wirtschaft im Osten könne jedoch nur Ausbildungsplätze anbieten, „wenn Arbeit da ist“, räumte Philipp ein. Für den Osten müsse es „Sondermaßnahmen“ geben. Offen ließ Philipp, ob das Handwerk dazu bereit ist.

Insgesamt aber verwies der Präsident auf eine weiterhin schlechte wirtschaftliche Prognose für die rund 840.000 Handwerksbetriebe in Deutschland: Bis zu fünf Prozent Umsatzeinbußen seien zu erwarten – ein Verlust von bis zu 300.000 Arbeitsplätzen. Er forderte die Oppositionsparteien auf, die Arbeit der Bundesregierung an den Reformen „konstruktiv zu begleiten“ und „grobe Fehler auszumerzen“.

Die Kritik des ZDH richtet sich auch gegen die „schlechte Zahlungsmoral“ vieler Unternehmen sowie – so betonte Philipp – der öffentlichen Hand. Handwerksbetriebe müssten oft monatelang auf Zahlungen säumiger Kunden warten, „währenddessen aber bereits mit 16 Prozent Umsatzsteuer in Vorleistung gegenüber dem Fiskus gehen.“ NINA MAGOLEY