Kassen sparen an Mutter-Kind-Kur

Obwohl der Vorsorge-Effekt gesetzlich beglaubigt ist, geben Krankenkassen immer weniger Geld für Mütter-Kuren aus – die übrigens auch Vätern offen stehen. Mehrere Kurheime im Norden stehen deshalb vor der Schließung

Wenn die Kasse die Kur ablehnt, bringt Widerspruch dagegen oft Erfolg.

von Axel Domeyer

Als ihre Mutter überraschend starb und kurz darauf der Vater unheilbar erkrankte, war die Bremerin Monika Ullrich (Name geändert) nervlich am Ende. „Die Kur hat mir die Psychiatrie erspart“, sagt sie heute über ihre Mutter-Kind-Kur auf Norderney. „Drei Wochen aus dem Alltag aussteigen hat mir unglaublich geholfen.“ Urlaub sei die Kur indes nicht gewesen: „Ich hatte volles Programm mit Gesprächen, Walking, Massagen und Schwimmen in der kalten Nordsee.“

Das war im vergangenen Jahr. Doch jetzt schlägt das Müttergenesungswerk Alarm. „Immer weniger Frauen bekommen eine solche Kur genehmigt.“

111.000 Gäste zählte das Müttergenesungswerk im abgelaufenen Jahr 2003. Die Zukunft vieler Häuser ist ungewiss, denn seit Jahren sinken die Übernachtungszahlen in den Häusern. Allein an den Küsten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins liegen 46 der bundesweit 104 Einrichtungen, die das Deutsche Müttergenesungswerk anerkennt.

Immer weniger Geld geben die gesetzlichen Krankenkassen für die Frauen-Kuren aus. Waren es 1999 bundesweit noch rund 420 Millionen Euro, sank die Zahl in 2003 auf nur mehr 364 Millionen. Die Tendenz setzte sich im ersten Quartal 2004 mit weiteren 13 Prozent minus fort.

Dass Mütter-Kuren medizinisch sinnvoll sind, ist dabei seit 2002 sogar in einem „Gesetz zur Verbesserung der Vorsorge und Rehabilitation von Müttern und Vätern“ beglaubigt. Die Krankenkassen tragen die Kosten – bis auf einen Eigenanteil von zehn Euro pro Tag. Allerdings lehnen sie viele Kuranträge auch ab. Der häufigste Grund: fehlende medizinische Indikation.

Gustav Krimphoff ist beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Bremen für Kuranträge verantwortlich. Für ihn sind viele Verschreibungen von Mütter-Kuren nicht begründet: „Für die Diagnosen, die da gestellt werden, ist so eine Kur oft nicht das Richtige.“ Oft sei eine ambulante Therapie die bessere Lösung.

Das Deutsche Müttergenesungswerk wirft den Krankenkassen vor, bloß Kosten sparen zu wollen. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass bei gleich bleibender Nachfrage weniger Anträge genehmigt würden. Bei Widerspruch würden jedoch auffällig viele Kuren doch genehmigt.

Eines der Kurheime, die wegen niedriger Auslastung jetzt schließen müssen, ist das „Haus am Deich“ im niedersächsischen Burhaversiel. Um die Qualitätsziele, die Müttergenesungswerk und Bundesverband der Krankenkassen gerade ausgehandelt haben, zu erfüllen, hätte das Haus zusätzliches Personal einstellen und mehr Komfort bieten müssen. „Diese Ausgaben sind bei der momentanen Auslastung nicht vertretbar“, sagte ein Sprecher der Arbeiterwohlfahrt Weser-Ems, die das Haus derzeit betreibt.

Unterdessen klagen einige Kurheime über das Geschäftsgebaren der Kassen. Diese machten sich die finanzielle Not der Kurheime zunutze, indem sie für bestimmte Gäste Festpreise anbieten. „Wenn wir nicht annehmen, versucht die Kasse es halt beim nächsten Haus“, sagt Petra Ludwig, die beim „Haus Werraland“ in Bad Sooden-Allendorf die Belegung der Zimmer plant. Petra Gerstkamp, stellvertretende Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks, ist darüber empört. „Es kann nicht sein, dass man erst Qualitätsziele mit uns verhandelt und dann den Preis dafür nicht zahlt.“

Nach einem Boom von Mutter-Kind-Kuren in den 90ern kommt es jetzt zu einer Marktbereinigung. Allein in Niedersachsen werden dieses Jahr insgesamt vier von 35 Häusern schließen. Gemeinnützige Träger konkurrieren verstärkt mit privaten Einrichtungen – überleben werden wohl in erster Linie Häuser an attraktiven Standorten, die kostengünstige Kuren anbieten.

Bei der Caritas in Bremen – der Anlaufstelle für Kurkandidatinnen – ist Beraterin Angelika Klapper unterdessen besorgt, dass die zahlreichen abgelehnten Anträge für Verunsicherung bei Müttern sorgen. Sie ruft dazu auf, die Möglichkeit einer Kur trotzdem zu bedenken. Kuren, ob mit Kind oder ohne, sind in der Regel bis zum zwölften Lebensjahr der Kinder möglich. Auch Väter können übrigens kuren, allerdings ohne Mutter. „Die Partner sollen sich auch von einander erholen“, so das Müttergenesungswerk. Das „Thomas-Morus Haus“ auf Norderney etwa hat seit 2001 ein spezielles Vater-Kind-Programm.