Alles selbst gemacht. Chic!

Die Verlegerin und Verlegerwitwe Aenne Burda wird heute 95 Jahre alt. Mit ihren berühmten Schnittmustern verhalf sie den Frauen zu preiswerter Mode und sich selbst zum Erfolg

VON MARTIN REICHERT

Die Lebensgeschichte der Aenne Burda liest sich wie ein opulenter Gesellschaftsroman von Barbara Taylor Bradford: Aufgewachsen in einfachsten Verhältnissen, der Vater war Lokführer, heiratet sie 1931 den reichen Verleger Franz Burda und gebiert ihm drei Söhne, während dieser unter anderem mit Hilfe einer „zwangsarisierten“ Druckerei und diverser Nazi-Publikationen immer noch reicher wird.

Der Verleger betrügt die treu sorgende, schöne Mutter, zeugt nebenbei eine uneheliche Tochter und übergibt einer „Nebenfrau“ die Leitung eines kleinen Mode-Verlags in Lahr. Aenne kommt ihm auf die Schliche und setzt ihm die Pistole auf die Brust: Sie fordert den maroden Verlag für sich, als Entschädigung sozusagen. Damit war der Grundstein für den bis heute weltgrößten Fachverlag für Modepublikationen gelegt, nach dessen Schnittmustern sich ganze Generationen von Frauen richteten. Sohnemann Hubert attestierte „der Aenne“ später in der Süddeutschen, dass sie mit ihren Burda Moden teilweise mehr erwirtschaftet habe als der Vater mit seiner Bunten. Legendär die Auseinandersetzungen zwischen der „Prinzipalin“ und dem „Senator“: Wer baut das größere Verlagshaus? Wer macht mehr Umsatz? Im Zweifelsfall zog Aenne ihrem Franz schon mal einen Strauß Rosen durch das Gesicht, in aller Öffentlichkeit. Die beiden lebten seit Ende der 40er-Jahre das, was man heute eine „offene Beziehung“ nennt.

Aenne war zum Zeitpunkt der Verlagsübernahme bereits 40 Jahre alt, man schrieb das Jahr 1949, und mit Frauenbewegung und Emanzipation hatte man im Deutschland dieser Tage nichts am Hut. Aenne Burda, die von sich behauptet, „emanzipiert geboren“ zu sein, musste ohne theoretisches Rüstzeug zu Rande kommen und hat es auch geschafft, ganz alleine, wenn man von der kleinen „Anschubfinanzierung“ absieht. Dennoch kann sie es sich heute erlauben, den Hut in Anwesenheit von Alice Schwarzer aufzubehalten, denn Aenne hatte schon früh alles, was die „moderne Frau von heute“ sich wünscht: eigenes Geld, Unabhängigkeit, Familie, Schönheit.

Ende der 40er-Jahre reiste Aenne aus dem badischen Offenburg in die Modemetropolen der Welt, immer auf der Suche nach Vorbildern für die mittlerweile weltberühmten Schnittmuster, die erstmals 1952 Bestandteil des Periodikums Burda Moden wurden. Mode zum Selbermachen, das war der Clou für geplagte Trümmerfrauen, die von Paris höchstens träumen konnten. Doch nicht nur für diese: Bereits ein Jahr später wurde die Zeitschrift international lanciert. Burda International erschien jährlich vier Mal und begründete den bis heute weltweiten Erfolg des Modeverlags. Auch die eher kleinbürgerliche Aenne wurde mondän, brauste mit dem Cabriolet durch das Deutschland der Wirtschaftswunderzeit, zu dessen fast singulärem weiblichen Symbol sie avancierte. Zum Friseur nach Paris, ja auch, aber im heimischen Büro war sie dann wieder die unangefochtene Regentin, die aus dem Weg räumte, was ihr im Weg stand. Mal nonchalant, mal furiös.

Ihr Presseimperium erreichte in den 80er-Jahren den Zenit, die Gesamtauflage ihrer Publikationen lag bei über fünf Millionen Exemplaren, die in 18 Sprachen übersetzt in über 100 Ländern verkauft wurden. Im Jahre 1987 schrieb Aenne aus dem Gesellschaftsroman noch einmal Geschichte: In Zusammenarbeit mit Raissa Gorbatschowa gelang es ihr, mit Burda Moden als Erster, ein westliches Periodikum in russischer Sprache herauszubringen. Die Startauflage zum Internationalen Frauentag wurde in Moskau gefeiert, das Bolschoi-Ballett trat auf und Aenne mutierte in der russischen Presse zur umjubelten „Zarin Aenne“.

Burda Moden heißt heute Burda Modemagazin und gehört zur Hubert Burda Media Gruppe, der Sohn führte 1994 zusammen, was die Eltern getrennt hatten. Aenne Burda hat sich schon lange aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen, die Konsumentinnen rennen ohnehin lieber zu H&M, anstatt Schnittmuster auszurädeln.

Aenne Burda lebt meist in ihrem geliebten Offenburg, das angeblich zur Hälfte den Burdas gehört, und widmet sich der Malerei, nähen kann sie übrigens nicht. Ihr heutiger Geburtstag wird für sie mit einem Ständchen der Burda-Betriebskapelle beginnen.