„Warum habt ihr nichts gesagt?“

Empörte Neustadt-Bewohner kritisieren Umweltbehörde: Diese hätte viel früher vor möglichem Gift im Grundwasser warnen müssen. Wo Industrie und Wohnen eng beieinander liegen „gibt es keine Garantie für sauberes Grundwasser“, entgegnet die

Bremen taz ■ Der Vorwurf stand auch am Ende der Beiratssitzung noch im Raum. „Warum habt ihr uns nicht früher was gesagt?“, wollten wütende Anwohner der Bremer Neustadt am Donnerstagabend von der Umweltbehörde wissen. Drei Monate ist es her, dass die mit Flugblättern vor einer Nutzung des Grundwassers im Hohentorsviertel warnte (taz berichtete). Dass in der Neustadt giftige Hinterlassenschaften von Industriebetrieben ins Grundwasser sickern, ist der Behörde dagegen schon seit über zehn Jahren bekannt.

Man habe erst aufwändig per Gutachten klären müssen, wo die genaue Quelle der Verunreinigung liege, wie schnell das verseuchte Grundwasser wohin fließe, und welche Grundstücke tatsächlich betroffen seien, rechtfertigte das Umweltressort die späte Information der Betroffenen. Die zeigten dafür am Donnerstag wenig Verständnis. „Wenn ihr uns vor zehn Jahren gesagt hättet: ‚Seid vorsichtig!‘, hätten wir uns danach richten können“, erboste sich einer. Jeder hätte dann eigenverantwortlich entscheiden können, ob er sein Kinder-Planschbecken noch aus der Gartenpumpe befüllen wolle. Künftig wolle man bei Verdacht auf weitere Verunreinigungen sofort informiert werden, forderte der Beirat einstimmig – „und sei es nur vorsichtshalber“, wie Sprecherin Susanne Martens (SPD) sagt. „In altindustriell geprägten Stadtteilen wie der Neustadt kann man nie davon ausgehen, dass das Grundwasser Trinkwasserqualität hat“, hält der Sprecher des Umweltressorts, Holger Bruns, den Vorwürfen von Beirat und Anwohnern entgegen.

Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Karin Mathes, wirft den Behörden indes Untätigkeit vor. Bei der alten Deponie unterhalb des Waller Feldmarksees etwa habe der Senat jahrelang zugesehen, wie erhebliche Mengen krebserregender Benzoapyrene ins Grundwasser sickerten. Inzwischen habe der Giftfluss deutlich nachgelassen. Mathes sarkastisch: „Irgendwann ist alles ausgewaschen.“

Offizielle Warnungen, das Grundwasser zum Blumengießen, Planschen und Rasensprengen zu verwenden, hat die Behörde erst für vier Gebiete Bremens ausgesprochen: Neben dem Neustädter Hohentorsviertel und der Gegend stadteinwärts des Kirchwegs auch für das Schlossparkviertel in Sebaldsbrück und – kürzlich erweitert – die Fläche zwischen Sodenstich, Föhren- und Pfalzburger Straße in Hastedt. Einen bremenweiten Grundwasseratlas will Umweltsenator Jens Eckhoff (CDU) Ende des Jahres vorstellen. Erst dann könne man sagen, in welchen Stadtteilen noch mit Gift im Grundwasser zu rechnen sei, sagt Sprecher Bruns. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Verschmutzung, so viel ist heute schon klar, sei aber in Borgfeld oder Obervieland „deutlich geringer“ als etwa in Woltmershausen. Verdachtsmomente, die weitere Wasser-Sperrgebiete erwarten ließen, lägen derzeit keine vor, versichert Bruns. Allerdings: Noch sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen. „Da wird sich noch mehr offenbaren“, befürchtet Martens. Armin Simon