Iraker dürfen nach Israel reisen

Der irakische Regierungschef Allawi sieht die Zeit für diplomatische Beziehungen noch nicht gekommen. Nach dem neuen Wiedergutmachungsgesetz können nur Juden, die in den Siebzigerjahren ausgewandert sind, auf Entschädigungen hoffen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Für Jubel ist in der Regierung in Jerusalem vorläufig noch kein Anlass. Denn derzeit will der Ministerpräsident der irakischen Interimsregierung, Ajad Allawi, keine Beziehungen zum Staat Israel aufnehmen. Im Verlauf seines Besuchs in der libanesischen Hauptstadt Beirut korrigierte er Anfang der Woche Berichte über die angebliche Stationierung eines offiziellen Vertreters aus Jerusalem in Bagdad. „Die zukünftigen Beziehungen zu Israel werden von zwei Faktoren bestimmt“, erklärte Allawi gegenüber dem Fernsehsender al-Dschasira, nämlich die Einhaltung von UNO-Resolutionen und ein „von den arabischen Führungen, darunter der palästinensischen, akzeptierter Frieden“. Unilaterale Schritte würden in Bagdad nicht unternommen.

Dessen ungeachtet berichtete die in London erscheinende saudi-arabische Zeitung Asharq al-Awsat ( „Nahost“) über die Aufhebung des Israel-Reiseverbots für irakische Staatsbürger. Ihre Pässe sollen künftig nicht mehr die Notiz enthalten, dass der Inhaber der Papiere „in die gesamte Welt, Israel ausgenommen“, reisen darf. Eine von der ehemaligen Oppositionsgruppe Irakischer Nationalkongress veröffentlichte Notiz stellt zudem Pässe für aus dem Irak stammende Juden in Aussicht sowie Kompensation für den von den jüdischen Flüchtlingen zurückgelassenen Besitz.

Erst vor knapp einem Monat hatte der israelische Außenminister Silvan Schalom in einem Interview mit dem irakischen Fernsehnetzwerk seinen Wunsch bekundet, diplomatische Beziehungen zum Irak aufzunehmen. Zwischen den beiden Staaten bestünden keine „territorialen Auseinandersetzungen“, betonte Schalom. Es sei „Angelegenheit des irakischen Volkes, ob es die Verbindung zu Israel will oder nicht“. In einem bereits im April veröffentlichten ersten Interview mit einer israelischen Tageszeitung erörterte der irakische Bau- und Wohnungsminister Bayan Bakir Solagh gegenüber Maariv, dass das neue Wiedergutmachungsgesetz „Juden speziell nicht erwähnt“. Die Übergangsregelung gelte nur für Leute, „die vom Vorgängerregime unterdrückt wurden, von 1968 bis zum Sturz Saddam (Husseins) und seiner Regierung im vergangenen Jahr“.

Die meisten Irak-stämmigen Juden, die heute in Israel leben, sind bereits in den frühen 50er Jahren geflohen. Bis zum Dezember 1951 immigrierten rund 120.000 Juden aus dem Irak. Einige tausend waren schon in den 40er-Jahren illegal ausgewandert und etwa die gleiche Zahl erreichte Israel in den 70er-Jahren. Insgesamt leben, nach Informationen des „Merkas le Moreshet Bavel“ ( „Zentrum für babylonisches Erbe“) etwa 130.000 Juden in Israel, die noch im Irak geboren wurden. Zusammen mit ihren Kindern und Kindeskindern machen sie heute laut dem Staatlichem Statistikamt rund eine Viertel Million der israelischen Bevölkerung aus. Dementgegen zählt die jüdische Gemeinde in Bagdad heute nur noch 22 Mitglieder.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Juden, mit Ausnahme der in den 70er-Jahren eingewanderten, offenbar nicht unter das irakische Wiedergutmachungsgesetz fallen, sammelt der israelische Minister Nathan Sharansky, Vorsitzender des Komitees zur Einklagung der Guthaben jüdischer Gemeinden, derzeit Unterlagen für eine mögliche Klage. Erst Anfang des Monats erreichten ihn, Berichten der Jerusalem Post zufolge, „800 Seiten Dokumente“ über früheres jüdisches Eigentum in Bagdad. Das Material sei von Beamten des US-Außenministeriums zusammengestellt worden, außerdem hätten „irakische Kollaborateure“ bei der Suche geholfen, so der Bericht. Die Unterlagen enthielten „Landkarten mit exakter Angabe des jüdischen Eigentums“, vor allem in der Umgebung von Bagdad, sowie Geburts- und Heiratsurkunden.