Hamburg – ein Wintermärchen

Vor 70 Jahren: Nazis lassen Standbild von Heinrich Heine aus dem Stadtpark entfernen. Erst 1982 kehrt der Dichter heim

Empörte Post aus den USA: „Soll Hamburg seinen guten, alten Ruf verlieren?“

von BERNHARD RÖHL

„Die Zahl der Deutschen Kriegerdenkmäler zur Zahl der Deutschen Heine-Denkmäler verhält sich hierzulande wie die Macht zum Geist“, spottete Kurt Tucholsky 1929. Dieser Ausspruch galt auch für Hamburg, neben Heines Geburtsstadt Düsseldorf und seiner Emigrationsstadt Paris eine weitere wichtige Station in Heines Leben. In verschiedenen Werken setzte er der Stadt ein literarisches Denkmal. Die revanchierte sich erst Jahrzehnte später und errichtete dem Dichter ein Standbild. Das Heine-Denkmal im Stadtpark wurde vor 70 Jahren von den Nazis aber wieder entfernt.

1906 – 50 Jahre nach dem Tod von Heine – verfassten der Schriftsteller Alfred Kerr und die Literarische Gesellschaft den Aufruf für das Hamburger Heine-Denkmal. Weil daraufhin nichts passierte, folgte im November 1909 ein weiterer Aufruf, für ein Denkmal Geld zu spenden. Den Auftrag erhielt Hugo Lederer, der bereits das Bismarck-Denkmal in Hamburg errichtet hatte.

Es dauerte jedoch bis 1926 bis Kerr die Eröffnungsrede für die Heine-Statue im Stadtpark halten konnte. Prominente Intellektuelle wie Max Liebermann, Engelbert Humperdinck, Gerhart Hauptmann hatten die Errichtung des Denkmals unterstützt.

Sieben Jahre später, im August 1933, trug der Senat folgenden Text vor, den die Protokolle des Senats so verzeichnen: „Im Stadtpark sei ein Denkmal des jüdischen Dichters Heinrich Heine aufgestellt. Heine habe in seinen Schriften das deutsche Volk in gröblicher Weise beschimpft. Bei jedem national gesinnten Deutschen müsse der Anblick des Denkmals Anstoß erregen. Der Herr Referent beantrage daher, die Entfernung des Denkmals zu veranlassen. Der Senat beschließt antragsgemäß.“

Das Hamburger Tageblatt – das Organ der NS-Partei – meldete im August 1933: „Der Senat hat beschlossen, das Denkmal Heinrich Heines, dieses volksfremden Künstlers, der das deutsche Volk niemals verstanden hat und der Mehrheit unseres Volkes immer völlig fremd geblieben ist, aus dem Stadtpark zu entfernen und zu lagern.“ Im gleichgeschalteten Hamburger Correspondenten stand zu lesen: „Das Heine-Denkmal im Stadtpark wird auf Beschluss des Senats entfernt und in einem Schuppen eingelagert werden. Es wird damit dem Empfinden Rechnung getragen, dass diesem volksfremden Literaten kein Ehrenplatz im nationalsozialistischen Deutschland mehr gebührt.“

Die braunen Machthaber mussten erleben, dass sie mit dieser Aktion ein internationales Echo auslösten. „Soll Hamburg den guten alten Ruf verlieren?“, wollte zum Beispiel der Deutschamerikaner Karl Doelmann aus Milwaukee in einem Brief an den Nazi-Bürgermeister Krogmann wissen. Der verärgerte Doelmann fügte den Artikel aus einer amerikanischen Zeitung bei. Unter der Überschrift „Hamburg, Hitler und Heine“ war der Sturz der Bronzestatue durch Senatsbefehl als Akt kultureller Barbarei verurteilt worden.

Das von den braunen Bilderstürmern gestürzte Heine-Denkmal verschwand in einem Schuppen. Die Kriegsmaschinerie der Nationalsozialisten verschlang später die Bronze.

Ein anderes Heine-Denkmal stand bis zur Nazi-Zeit am Barkhof zwischen Mönckebergstraße und Spitalerstraße. Es war ursprünglich auf der griechischen Insel Korfu aufgestellt worden und wurde dort 1898 auf Anweisung des deutschen Kaisers Wilhelm II. entfernt, der sich auf Korfu einen Wohnsitz gekauft hatte. Die Verlegerfamilie Campe erwarb das Denkmal und sorgte dafür, dass es in Hamburg aufgestellt wurde.

Schon in den 20er Jahren wurde es immer wieder Opfer von Farbschmierereien durch Nazis und rechte Studenten. Am Anfang versuchten jüdische Jugendliche aus dem Grindelviertel noch, das Denkmal mit Wachen zu schützen. Die Polizei vertrieb diese Wachen jedoch, der Senat ließ das Denkmal daraufhin mit Brettern vernageln. 1926 kapitulierte er vor den dauernden Attacken auf das Standbild, es wurde nach Altona transportiert – in den Donners Park, wo Heine in einem abgeschlossenen Raum abgestellt wurde. „Dort genießt das Denkmal nun eine Art Schutzhaft“, stellte der Schriftsteller und Journalist Hans Harbeck 1930 fest. Das Standbild blieb dort neun Jahre: Dann gelang es der Tochter des Verlegers Campe, das Standbild nach Frankreich zu bringen. So musste auch der steinerne Heine nach Frankreich emigrieren: Heute steht er im Stadtpark von Toulon in der Nähe des Mittelmeeres.

In Hamburg steht erst seit 1982 wieder ein Heine-Denkmal – jetzt mitten in der Stadt, auf dem Rathausmarkt. Jahrelange Streitereien in der Politik waren der Aufstellung vorausgegangen, bevor der damalige SPD-Sozialsenator Wolfgang Tarnowski am 11. Mai 1982 die Rede zur „Heimkehr Heinrich Heines“ halten konnte.