Soldat Nummer 28 ist an Krebs gestorben

In Italien mehren sich Fälle von erkrankten oder verstorbenen Soldaten, die an den Kriegsschauplätzen der Welt im Einsatz waren. Die vermutete Ursache: abgereichertes Uran. Das Parlament setzt einen Untersuchungsausschuss ein

ROM taz ■ 31 Jahre alt war der Feldwebel Fabrizio Venarubea, der im Juni an einem Lymphkarzinom starb. Als die Nachricht von seinem Tod vor drei Tagen in die Öffentlichkeit drang, wies ihm die Statistik gleich eine Nummer zu: 28. Das ist die Zahl der Krebstoten, die seit dem Jahr 2000 unter jenen Soldaten der italienischen Streitkräfte gezählt wurde, die auf Einsatz bei den Auslandsmissionen in Somalia, im Kosovo, in Bosnien und im Irak gewesen waren. Schon jetzt sind 270 weitere Fälle von Krebserkrankungen bekannt.

Auch der aktuelle Einsatz von 3.000 italienischen Soldaten im Irak soll schon erste Opfer gefordert haben. Das jedenfalls behauptet Falco Accame, Ex-Admiral, Ex-Abgeordneter und jetzt Vorsitzender des Verbandes der Soldaten, die Opfer von Militäreinsätzen wurden. Etwa 20 Soldaten des Irakkontingents sollen mittlerweile im Militärhospital Celio in Rom untergebracht sein. Accame nennt auch das Stichwort für den vermutlichen Grund der Krebsfälle: abgereichertes Uran.

Tonnenweise kam in den letzten Jahren mit abgereichertem Uran gehärtete Munition an den verschiedenen Kriegsschauplätzen der Welt zum Einsatz. Dies hat aber möglicherweise fatale Konsequenzen für jene Menschen, Zivilisten oder Soldaten, die später an den Kampforten Uranpartikel einatmen. „Da reicht schon ein Stiefeltritt und erst recht ein vorbeifahrendes Fahrzeug, um in der Nähe von zerbombten Ruinen oder zerschossenen Panzern Staubwolken und mit ihnen radioaktive Partikel aufzuwirbeln“, bemerkt Accame. Zugleich klagt er die italienische Streitkräfteführung an, diese Problematik nie ernst genommen zu haben. In Shorts kämen im Irak wie seinerzeit in Somalia die Soldaten oft auch an kritischen Orten zum Dienst, während ihre amerikanischen Kollegen selbst bei größter Hitze mit Schutzbrille, Atemmaske und Schutzanzug anträten.

Die Nachlässigkeit hat Gründe: Schon im Jahr 2000 hatte Italiens damalige Mitte-links-Regierung nach dem Auftreten erster Krebsfälle unter Soldaten eine wissenschaftliche Kommission eingesetzt, geleitet von dem berühmten Leukämie-Forscher Franco Mandelli. Das Ergebnis der Kommissionsarbeiten: Abgereichertes Uran ist ungefährlich. Doch Accame wirft Mandelli grobe Schnitzer vor. So sei bei den Bluttests unter den Soldaten nicht sauber unterschieden worden, wer mit und wer ohne Schutzkleidung gearbeitet habe. Und als Vergleichsgröße sei nicht etwa die (niedrige) Krebsrate unter jungen Männern, sondern die der Gesamtbevölkerung herangezogen worden.

Für die italienische Regierung hatten die Kommissionsergebnisse eine sehr praktische Seite: Bis heute wird betroffenen Soldaten eine Entschädigung verweigert. Sie müssen sich mit Invalidenrenten in Höhe von manchmal nur 200 Euro monatlich bescheiden.

Doch seitdem die Medien über immer neue Todesfälle berichten, erhöht sich der Druck auf die Regierung. Sie hat jetzt eine weitere wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, durchzuführen an 1.000 Soldaten im Irak. „Rundum paradox“ nennt Accame diese Studie, denn sie sehe vor, dass die Probanden komplette Schutzkleidung tragen, „da ist doch jetzt schon klar, dass die sich nicht kontaminieren“. Zugleich aber gebe die Armeeführung den Soldaten des Irakkontingents intern den Rat, in den ersten drei Jahren nach ihrem Einsatz auf die Zeugung von Kindern zu verzichten. Hoffnung setzt der Opferverband allein ins Parlament: Italiens Senat setzte gestern einen Untersuchungsausschuss zu den Krebsfällen in den Streitkräften ein, der nach der Sommerpause seine Arbeit aufnehmen wird.

MICHAEL BRAUN