Die Generation Beat wird alt

Das Altwerden in NRW soll schöner werden, erhofft sich Sozialministerin Fischer von den neuen seniorenpolitischen Leitlinien. Wohlfahrtsverbände kritisieren, dass konkrete Vorschläge fehlen

AUS DÜSSELDORF ULLA JASPER

Nordrhein-Westfalens 50-jährige Gesundheits- und Familienministerin Birgit Fischer (SPD) macht sich Sorgen um das Älterwerden. Sie begrüßt deshalb die neuen Leitlinien zur Seniorenpolitik, die das rot-grüne Landeskabinett in seiner letzen Sitzung vor der Sommerpause beschlossen hat.

Unter dem Motto „Alter gestaltet Zukunft“ rief die Ministerin zu einem Mentalitätswechsel in der Sozialpolitik auf: „Unser Bild vom Alter ist sehr negativ geprägt. Wir tun so, als sei das Alter ein Katastrophenszenario für unsere Gesellschaft“, sagte sie gestern in Düsseldorf. Während 1975 nur 18,7 Prozent der Bevölkerung in NRW älter als 60 Jahre war, werden es im Jahr 2020 voraussichtlich 25 Prozent der Bevölkerung sein. Daher müsse sich die Gesellschaft auf diese Generation der „neuen Alten“ einstellen.

„Seniorinnen und Senioren, also die Menschen der Generation 50 plus, sind heute viel aktiver, vitaler und mobiler als noch vor 50 Jahren“, so Fischer. Man dürfe nicht vergessen, dass die heutigen Alten eben „zu Zeiten des Beat und der Protestbewegung“ jung waren. Deshalb müsse man weg von den klassischen Instrumenten der Fürsorge und Altenpflege, hin zu einem „gestaltenden Staat“, der Grundlagen schaffe für selbstbestimmtes Leben im Alter. Fischer forderte Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dazu auf, nicht nur die Folgen der gestiegenen Lebenserwartung zu beklagen, sondern auch die Chancen einer „Gesellschaft des langen Lebens“ zu erkennen und zu ergreifen. Die Ministerin erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die „Wirtschaftskraft Alter“, die bisher von der Wirtschaft zu wenig erkannt und durch altengerechte Produkte und Dienstleistungen noch nicht ausgeschöpft worden sei.

Bei aller Begeisterung für die betagten, aber fitten „Big Spender“ unter den Senioren, rückten Fragen der Altenpflege und der Betreuung Pflegebedürftiger in den Hintergrund. Zwar räumte die SPD-Politikerin ein, dass die Pflegeversicherung reformiert werden müsse, um die zunehmende Zahl Demenzkranker und pflegebedürftiger alter Menschen besser absichern zu können. Doch notwendig sei erst eine bundespolitische Debatte darüber, wie Pflege grundsätzlich organisiert und finanziert werden solle.

Schon im Vorfeld hatte Rudolf Henke, sozialpolitischer Sprecher der CDU, der rot-grünen Landesregierung vorgeworfen, „keinen Mut und keine Konzepte“ für notwendige Reformen in der Sozialpolitik zu haben. Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Niederrhein kritisiert, dass die Leitlinien sehr „global und allgemein“ geblieben seien, so Sprecherin Hilke Buchholz: „Es ist zu wenig Konkretes enthalten.“