Merkel gegen Stoiberreform

Union streitet über das Vorziehen der Steuerreform. CSU-Chef Edmund Stoiber kündigt eigene Vorschläge an. CDU-Chefin Angela Merkel lehnt dieses ab und erwartet Konzept der Bundesregierung

BERLIN taz ■ Zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU ist ein offener Streit über die Strategie der Union in der Steuerpolitik ausgebrochen. In einem Zeitungsinterview sprach sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber für eine Zustimmung zum Vorziehen der rot-grünen Steuerreform auf 2004 aus und kündigte an, die Union werde gegebenenfalls eigene Vorschläge zur Finanzierung der Steuersenkung präsentieren, „weil wir in diesem Land etwas verändern müssen“. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel dagegen betonte nach der gestrigen Präsidiumssitzung ihrer Partei in Berlin, ein Konzept vorzulegen sei „Aufgabe der Bundesregierung“.

Während Stoiber kurz vor der bayerischen Landtagswahl am 22. September die Handlungsfähigkeit der Union beweisen wollte, pocht Merkel auf die traditionelle Rollenverteilung zwischen der Regierung und der Opposition. „Die Verzweiflung über die Regierung darf nicht die Illusion erwecken, die Opposition könnte die Fehler der Regierung wettmachen“, sagte Merkel.

Stoiber dagegen hatte in der Financial Times Deutschland erklärt: „Wir werden die Verantwortung für eine seriöse Finanzierung vorgezogener Steuersenkungen übernehmen.“ Die von Rot-Grün bisher geplante Neuverschuldung lehnte er erneut ab. Wie sein Alternativmodell aussehen soll, verriet er nicht. Am Nachmittag ruderte er dann noch weiter zurück. Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur Steuerreform werde man „am Ende sehen, ob solche eigenen Vorschläge überhaupt Sinn machen“, so Stoiber kleinlaut.

Merkel hatte zuvor betont, Stoiber spreche in dieser Frage nur für die CSU. Alle CDU-Ministerpräsidenten seien sich einig, dass die Bundesregierung „jetzt schnell seriöse Vorschläge vorlegen“ müsse. Erst wenn dies geschehen sei, könne über eine Zustimmung im Bundesrat verhandelt werden. „Davon rücke ich und davon rückt die Union nicht ab.“ Ganz wollte allerdings auch Merkel nicht ausschließen, dass die Union „in der allerletzten Phase“ der Verhandlungen einen eigenen Vorschlag zur Gegenfinanzierung machen könnte.

Auch in der Rentenpolitik setzt die CDU-Chefin auf Zeit. Zu den bereits durchgesickerten Plänen der Rürup-Kommission, das Renteneinstiegsalter auf 67 Jahre zu erhöhen, erklärte Merkel, sie wolle nicht über etwas reden, „was halbgar oder noch nicht einmal im Kochtopf ist“. Die CDU werde bis zum 6. Oktober einen Beschluss zur Rentenpolitik ausarbeiten. Einen parteiübergreifenden Rentenkonsens wie bei der Gesundheitsreform lehnte Merkel ab. Auch bei anderen Reformvorhaben gelte künftig wieder, „dass der Weg über Bundestag und Bundesrat der Weg ist“. LUKAS WALLRAFF

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