Platz für die Zukunft

Der Verein Zuff bietet Frauen, die von ihren gewalttätigen Ehemännern bedroht werden, Wohnungen an. Das Projekt feierte jetzt 20. Geburtstag

von DINAH STRATENWERTH

1997 hat Nihal Y. Frieden gefunden. Vorher waren da ein gewalttätiger Ehemann, Ohnmacht und Angst. „Ich kam einfach nicht gegen ihn an“, erzählt die 39-jährige Türkin. Dann lernte sie durch eine Bekannte den Verein Zuff (Zufluchtswohnungen für Frauen) kennen. Nachdem ihr Mann sie wieder einmal zusammengeschlagen hatte, rief sie an. Einen Monat lang führte sie Gespräche mit den Zuff-Mitarbeiterinnen. Nihals damals 11-jährige Tochter wollte bei ihrem Vater bleiben, und die Mutter hatte Schuldgefühle. Die Entscheidung, zu gehen, fiel ihr nicht leicht. Doch den Entschluss hat sie nie bereut.

„Wenn du einmal sagst: ja, ich will, bist du eine von ihnen“, erinnert sie sich, „dann bist du nie mehr fremd.“ Viel Lob für das Frauenprojekt, das in der letzten Woche seinen 20. Geburtstag gefeiert hat. Vor zwei Jahrzehnten gab es in Berlin nur Frauenhäuser als Zufluchtsorte für den Notfall. Sie sind rund um die Uhr erreichbar und gewähren bedrohten Frauen Schutz vor ihren gewalttätigen Männern. Ins Frauencafé Glogauer Straße in Kreuzberg kamen aber immer mehr Frauen, die nicht akut bedroht waren und im Kiez bleiben wollten. Daher wollten sie nicht ins Frauenhaus. Es entstand die Idee, ihnen eine Wohnung zu bieten.

Also renovierten die Frauen aus dem Frauencafé eine 1,5-Zimmer-Wohnung. Der Bedarf an geschützten Wohnungen war groß, weitere wurden hergerichtet. 1983 gründeten die Frauen den Trägerverein Zuff. Geld kam vom Senat aus einem Fördertopf für Selbsthilfeprojekte. „Weil die Frauenhäuser schon politische Vorarbeit geleistet hatten, waren von Grünen bis CDU alle von der Idee angetan, erinnert sich Mitgründerin Sonja Vahrenhorst.

Heute hat der Verein 6 Mitarbeiterinnen und 31 Wohnungsplätze. Damit ist er das größte Projekt dieser Art in Deutschland. Anders als die rund um die Uhr erreichbaren Frauenhäuser hat Zuff feste Sprechzeiten.

In den Wohnungen leben mehrere Frauen und Kinder selbstständig zusammen. „Sie helfen sich gegenseitig und lernen auch voneinander“, erklärt Zuff-Mitarbeiterin Müesser Limon Michal. Sie brauchten zuerst Stabilität und das Gefühl, loslassen und sich entspannen zu können. Das Gefühl, endlich weg zu sein von der Gewalt, die sie oft jahrelang erlebten. Diese Ruhepause wird ihnen gegönnt, doch Zuff setzt auch auf Verantwortungsgefühl. Die Frauen müssen sich um ein Einkommen kümmern und Miete zahlen.

Nihal Y. fasste bald Vertrauen zur Zuff-Crew: „Bei Problemen war immer sofort jemand für mich da.“ Oberste Regel ist neben dem Verzicht auf Gewalt und Drogen die Geheimhaltung der Wohnorte der Frauen. Männer haben keinen Zutritt. Wer diese Regel bricht, fliegt raus.

Ein Schwerpunkt war von Anfang an die Arbeit mit Migrantinnen. Nihal Y. lebt in Deutschland, seit sie 5 ist. Andere Migrantinnen haben oft das Problem, dass sie per Ausländergesetz an ihren Mann gebunden sind – ihn zu verlassen bedeutete Abschiebung. Zuff hilft den Migrantinnen nicht nur beim Kampf mit den Behörden, sondern hat sich in den letzten Jahren auch für Gesetzesänderungen stark gemacht (siehe Kasten).

Nihal Y. konnte nach acht Monaten in einer Zuff-Wohnung in eine eigene umziehen. Im Moment macht sie Gelegenheitsarbeiten, doch sie träumt von einem Job in der Kinder- und Frauenarbeit. Und von einer Lehrstelle für ihre Tochter. Schließlich hat sie eine Zukunft.