„Solarindustrie fehlt funktionierende Lobby“

Die Verbände müssen sich besser abstimmen, sagt Helmut Engel, Deutschland-Chef von Sharp. Das Unternehmen hat Europas größte Fabrik für Solarzellen in Wales eröffnet. Und sieht Deutschland ab 2005 als weltweit größten Markt

taz: Herr Engel, die meisten Menschen verbinden mit Sharp Produkte wie Handys, Drucker oder Fernseher. Jetzt haben Sie in Wales die größte Solarzellenfabrik Europas eröffnet. Wie wichtig ist das Geschäft mit der Sonne?

Helmut Engel: Sharp ist ein Pionier der Sonnenenergie. Wir produzieren seit 1959 Solarzellen – und das hat uns die Weltmarktführerschaft mit einer Kapazität von 315 Megawatt pro Jahr eingebracht. In Japan ist der Markt riesig, wir sind mit der Ertragslage sehr zufrieden. Leider hat sich der Markt in Deutschland erst in den letzten zwei Jahren entwickelt, allerdings rasant.

Welchen Stellenwert hat der deutsche Markt?

Momentan ist er der zweitgrößte hinter Japan. Unsere Projektion geht allerdings davon aus, dass Deutschland bereits 2005 weltweit der größte Markt sein wird.

Wenn der Markt so wichtig ist: Warum hat Sharp seine Modulfabrik in Wales gebaut?

Wir haben drei Produktionsstätten in Europa: Barcelona, Elsass und im walisischen Wrexham. Dort wurden zuletzt Videorekorder gefertigt. Durch den Fortschritt der DVD-Technik ist der Markt aber zusammengebrochen. Da lag es nahe, die Modulproduktion in Wales anzusiedeln. Wir beobachten den deutschen Markt aber genau und schließen nicht aus, dass wir uns bei einer Verstetigung des Wachstums auch hier Produktionskapazitäten schaffen.

Die CDU hat angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs die Förderung Erneuerbarer Energie auf den Prüfstand zu stellen. Ist Sharp deshalb so vorsichtig?

Dass die Oppositionspartei im Vorfeld vor Wahlen immer Behauptungen in den Raum stellt, ist normal. Bereits jetzt sind aber enorm viele Menschen im Solargeschäft beschäftigt. Zusätzlich kommt aus Deutschland viel Zuliefermaterial für die Fertigung in Japan. 98 Prozent der Deutschen empfinden Solarstrom als den umweltfreundlichsten. Ich glaube nicht, dass eine Volkspartei eine derart breite Zustimmung ignoriert. Ich bin aber gern bereit, Frau Merkel im Gespräch noch einmal Argumente zu liefern.

Vielleicht sollten Sie besser mit den deutschen Energiekonzernen reden, die derzeit massiv Stimmung gegen grüne Energie machen.

Wer die Wurzeln der Unternehmen beleuchtet, findet die Triebfedern dieser Stimmungsmache. Die Verarbeitung von fossiler Energie ist die ursprüngliche Geschäftsidee. Angesichts dessen ist völlig klar, dass aus Gremien wie Geschäftsführung oder Aufsichtsrat solche Signale gesendet werden.

Wenn es eine so hohe Zustimmung in der Bevölkerung gibt – warum finden die Triebfedern dann so großen Nachhall in der Öffentlichkeit?

Die alte Energiewirtschaft hat frühzeitig eine gut funktionierende Lobbymaschinerie entwickelt. Uns fehlt eine solche Maschinerie, mit der wir gegenhalten könnten. Wir haben immer gedacht, dass wir mit der Sonnenenergie überzeugen können und nicht überreden müssen.

Auch die Erneuerbare-Energie-Branche hat einige Lobbyverbände. Was raten Sie denen?

Sie müssen lernen, sich richtig zu orchestrieren. Es gibt zu viele Verbände und zu viele unterschiedliche Interessen. Vergleichen wir das mit der IT-Branche: Dort haben sich zehn verschiedene Institutionen gegenseitig blockiert. Erst durch die Gründung des Bitkom ist Aussagekraft entstanden. Genau so einen Ansprechpartner braucht die Politik auch für die erneuerbaren Energien.

Zurück zu Sharp: Wie groß ist Ihr Umsatz mit solaren Produkten derzeit in Deutschland?

Mittlerweile ist er größer als im Bereich der Büroelektronik .

Welche Rolle spielt das Erneuerbare-Energien-Gesetz bei diesem Erfolg?

Ich schreibe ihn dem gewachsenen Bewusstsein der Bevölkerung zu. Bei aller Förderung: Es muss erst einmal jemand Geld in die Hand nehmen, denn der Investor bekommt erst nach zehn oder zwölf Jahren sein Geld zurück. Das EEG oder das 100.000-Dächer-Programm sind sicherlich gute politische Flankierungen. Entscheidend war aber der Stimmungswechsel bei Bauherren und Investoren.

Warum sind es gerade die Deutschen, die Ihnen den größten solaren Absatzmarkt in Europa bescheren?

Die Deutschen machen nicht immer alles richtig. Aber wenn sie etwas als vernünftig erkannt haben, dann knien sie sich rein.INTERVIEW: NICK REIMER