: Moses seine Brüder
Ökumene des Gospels: Klezmatics bei „Heimatklänge“
Dass eine Band ein zweites Jahr auftritt, verstößt eigentlich gegen die eisernen Prinzipien der „Heimatklänge“. Eigentlich. Doch Klezmatics-Chef Frank London wollte es sich nicht nehmen lassen, auf seinem Lieblingsfestival aufzutreten, lautet das diesjährige Motto doch „Bands of New York“. Und die Klezmatics gehören zu New York wie die Butter zum Bagel.
Vor 16 Jahren war die Kapelle bei den allerersten „Heimatklängen“ dabei, damals noch im alten Tempodrom im Tiergarten, hatte dort ihren ersten Durchbruch gefeiert und einen weltweiten Klezmer-Boom losgetreten. Was ist seitdem nicht alles passiert. Die Klezmatics waren bei David Letterman zu Gast und beim legendären John Peel. Sie sind mit der israelischen Folk-Diva Chava Alberstein aufgetreten und mit dem Philharmonieorchester in Jena. Inzwischen sind sie wohl so etwas wie die Rolling Stones des Klezmer-Revivals – und garantierte Publikumsmagneten.
Für die „Heimatklänge“ haben sie nun eine kleine Ökumene des Gospels organisiert, zusammen mit den beiden Gospelmusikern Joshua Nelson und Kathi Farmer. So bot sich dem Publikum am sommerlichen Freitag auf dem Kulturforum ein Tableau, wie es wohl tatsächlich nur in New York entstehen kann: rechts auf der Bühne Amina Claudine Myers an der Hammondorgel, die mit ihren hoch toupierten Haaren ein wenig wie die Vorsteherin eines protestantischen Kirchenchors wirkte; links der Sänger Joshua Nelson, der an seinem Roland-Keyboard inbrünstigen old school-Gospel anstimmte. Und im Mittelpunkt die Klezmatics, die inzwischen wie eine angejahrte Folk-Kommune wirken. Allen voran ihr Sänger Lorin Sklamberg, der in seinem orangefarbenen Gewand gewisse Ähnlichkeit mit einem Hare-Krischna-Mönch aufwies.
Erinnerte die erste Hälfte des Konzerts noch an einen klassischen Klezmatics-Auftritt, der zu großen Teilen auf Stücken aus ihrem neuen Album „Rise Up“ beruhte, so verschränkten sich die Stile nach der Pause doch sehr schön in einer Ökumene der Entrücktheit. Schließlich weisen sowohl Gospel als auch osteuropäische Klezmer Verbindungen zum Jazz auf, sie leben von der Improvisation. Und die Geschichte vom Auszug aus dem Gelobten Land steht nicht nur im Zentrum der jüdischen, sondern auch der afroamerikanischen Erzählung: Vor Moses sind sie alle Brüder. DANIEL BAX
Sonnabend um 21.30, Sonntag um 16 Uhr am Kulturforum, Potsdamer Platz
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