fußpflege unter der grasnarbe
: Elektro-Katsche gibt 37 Prozent auf komische Bücher

Dass Fußballer elf Freunde sein müssten, erfuhren sie im besten Falle lesend: Sammy Drechsel hatte es ihnen 1936 ins gleichnamige Stammbuch geschrieben. Vor dreißig Jahren gab es keine Freunde mehr, aber immerhin noch elf deutsche Weltmeister. Jupp Kapellmann gehörte 1974 nicht zur ersten Elf, fühlte sich „eigentlich überflüssig“ und vertrieb sich sein Reservisten-Dasein mit Lesen: Solschenyzin, Archipel Gulag, ein literarischer Bericht über sowjetische Straflager. Bei seinem Zimmerkollegen Helmut Kremers traf er damit auf Unverständnis, hatte der doch nach eigenem Bekunden noch nie ein Buch gelesen.

Besser kam der Besuch von Uli Schulz im Trainingslager in Malente an. Der damalige Stürmer des FC St. Pauli überreichte im Auftrag seines zivilen Arbeitgebers ein Farbfernsehgerät dem dankbaren Flügelflitzer Jürgen Grabowski. Damals war Color-TV noch kein Haushaltsstandard, der Handel offerierte Ratenzahlung. Heute lesen Fußballer nicht, sondern kaufen im Schreibwarenladen von Katsche Schwarzenbeck – noch ein Weltmeister von 74 – bündelweise Papier und verewigen darauf ihre, nun ja: Memoiren.

Farbfernseher stehen in jedem Schnellimbiss und manchmal sind sie aufschlussreicher als die Lebensbeichten von Effenberg & Co. Im Mai, das allerletzte Bundesligaspiel am Bökelberg war gerade vorbei, die Stätte von Günter Netzers lang wie sein Haar flatternden Pässen eigentlich überflüssig der Abrissbirne übereignet, fasste in einem Mönchengladbacher Dönerladen der Nichtfußballsender MTV 2 die Flüchtigkeit der Dinge zusammen.

Es gibt dort für Pärchen die Gelegenheit zum „Love Match“: Gegen einige SMS-Stichworte zu Person und Partner spuckt der Computer eine launische Prognose aus, die dann tonlos über den Bildschirm läuft. Ein gewisser Daniel und seine Herzdame erhielten schmale 37 Prozent Fortbestandschance. „Ihr wollt, könnt aber nicht“, urteilte rüde die Maschine, endete aber mit einem wohlmeinenden Ratschlag: „Passt auf! Kathrin liebt komische Bücher.“

Ist Kathrin noch mit Daniel zusammen? Und, wichtiger, was liest sie gerade: Solschenyzin? Matthäus? MTV 2? Die Protokolle der DFB-Trainerfindungskommission? Die Maschine schweigt und irgendwo im Innern lächelt ein kleiner elektronischer Katsche, der statt Papier SMS verkauft.