Derby dezent

St. Pauli besiegt die HSV-Amateure im Stadtderby mit 3:0 und feiert übertrieben einen miesekickrigen Erfolg

Wie die Parodie einer Parodie musste es wirken, als St. Paulis Fans ihr Teilzeit-Lieblingslied in Richtung Gegnerkurve schmetterten: „Wer wird deutscher Meister - Ha-Ha-Ha-Ha-Es-Vau.“

Die Zeiten, in denen der Kiezclub zur Verhinderung eines HSV-Meistertitels noch aktiv beitragen konnte, sind lang vergangen. Ritualisierte Derby-Folklore, beschaulich genug für den Rahmen des Regionalliga-Spiels: In dezenter Atmosphäre gewann St. Pauli 3:0 gegen die HSV-Amateure.

Wirkliche Feierstimmung ließ die Konstellation der Begegnung nicht zu: St. Pauli wurde mit dem Spiel gegen das Amateurteam des Lokalrivalen die eigene Falltiefe veranschaulicht; den Anhängern der Rothosen musste das Match vorkommen wie der Bonus-Track einer CD: zur Kenntnisnahme empfohlen, möglicherweise überraschend, aber zumeist doch unter den Erwartungen gelegen: Gleichzeitig Nummer eins und zwei in Hamburgs Fußball zu werden.

Weil der HSV seine nahezu vollständige Feldüberlegenheit in den ersten 20 Minuten nicht nutzte, blieb dem Kiezclub das worst-case-Szenario erspart. Gegen ein schon obligatorisch mittelfeldloses St. Pauli versuchte der HSV-Nachwuchs um André Moheit Angriff um Angriff, erspielte sich 6:0 Ecken. St. Paulis Anhänger reagierten nach 20 Minuten markant auf die Vorführung ihres Teams. Noch vor der Ausführung eines Eckballs für den HSV stimmten sie „Ho-Ho-Hollerieth“ an – die Anrufung des Torwarts als letzte, da einzige Bastion. Von der merklichen Unsicherheit der Gastgeber ließen sich die HSV-Talente allerdings zunehmend anstecken.

„Bei uns sieht alles ganz hübsch und nett aus, aber es ist nicht zwingend genug“, bilanzierte HSV-Verteidiger Marco Grote, „und im Defensivverhalten sind wir einfach zu dösig.“ Als Rico Hanke nach einer halben Stunde die erste FC-Torchance verwertete, „haben wir den Faden verloren“, so Grote. Mit einem selbstbewussteren Auftreten nach dem Wechsel schraubten die Kiezkicker das Resultat durch Gibbs und Sager noch auf 3:0.

Wie eine Beschwörung gar nicht ganz so alter Profi-Tage wirkte der Jubel auf den Rängen, als nach 72 Minuten Marco Gruszka eingewechselt wurde. Der Defensivspieler kam 2002 zu St. Pauli, verließ nach dem Zweitliga-Abstieg zunächst den Verein und wurde unmittelbar vor dem Derby wiederverpflichtet. Symbol für eine bessere Zukunft kann man beim FC St. Pauli dieser Tage recht schnell werden. Da stört auch niemanden, dass sich nach einem erfolgreichen Grottenkick das Präsidium des FC St. Pauli Wellen schlagend mit dem Team auf dem Rasen präsentiert. FOLKE HAVEKOST