Höhere Steuer auf fettes Essen

Schwedens Regierung will ungesunde Nahrungsmittel verteuern, damit mehr gutes Essen gekauft wird. Zahl der übergewichtigen Kinder soll sinken. Industrie gespalten

STOCKHOLM taz ■ Die Mehrwertsteuer auf ungesundes Essen soll erhöht, die auf nützliches und nahrhaftes gesenkt werden. Dies wird eine von der schwedischen Regierung eingesetzte Kommission im Herbst als ein Mittel vorschlagen, um die ständig dicker werdenden Schweden wieder schlanker zu machen.

Es ist vor allem der steigende Anteil von kräftig übergewichtigen Kindern und Jugendlichen, sowie der zunehmende Jugenddiabetes, die der Regierung Sorge machen. Der bei der Gesundheits- und Lebensmittelbehörde bestellte Bericht wird nach Aussage einer der VerfasserInnen, Liselotte Schäfer Elinder, unter anderem eine Steuerung über unterschiedliche Mehrwertsteuersätze im Lebensmittelsektor und möglicherweise zusätzliche „Strafsteuern“ beispielsweise für Chips, Fastfood und Limonaden vorschlagen.

„Wir wollen eine Gesundheitssteuer auf bestimmte Produkte, die schädlich sind, und gleichzeitig andere Waren billiger machen“, berichtet Liselotte Schäfer Elinder. Das in der Debatte gleich geprägte Wort von der „Fettsteuer“ sei ungenau, es gehe darum Waren zu besteuern, die gewisse Grenzwerte an Fett, Zucker und Energiedichte überschreiten – so ähnlich wie man jetzt schon spezielle Alkohol- und Tabaksteuern habe.

Kompliziert sei das absolut nicht, so Schäfer Elinder, sondern etwa der Grenze beim zulässigen Promillegehalt im Autoverkehr vergleichbar. Wurst mit hohem Fettgehalt würde teurer im Vergleich zu eher fleischhaltiger Ware.

Positiv reagierten die Grünen, Christdemokraten, bäuerliches Zentrum und Linkspartei. Die Lebensmittelbranche kommentiert den Vorstoß dagegen unterschiedlich. Obst- und Gemüseproduzenten zeigen sich zustimmend, während die Marktriesen im Snacksektor ihn ablehnen. „Was ist gesund und was ungesund?“, fragt Börs Brita Westelius, Informationschefin von Kraft-Food, die auch nicht glaubt, dass das Konsumentenverhalten durch eine Steuer von Chips auf Möhren umgepolt werden könne. Und auch die sozialdemokratische Sozialausschussvorsitzende Kristina Zakrisson „zweifelt spontan“: „Schon jetzt ist ja geriebenes Gemüse billiger als eine Chipstüte.“ Es gehe darum, Wissen zu vermitteln und Gewohnheiten zu ändern.

Wozu nach Meinung von Liselotte Schäfer Elinder allerdings durchaus die Steuer dienen kann. Höhere Preise könnten einen Beitrag leisten, um die Zahl übergewichtiger Kinder zu reduzieren. Statisch betrachtet haben übergewichtige Kinder eine um 20 Jahre niedrigere Lebenserwartung.

Schweden steht mit dieser Debatte nicht allein. Einige US-Bundesstaaten haben eine Limonadensteuer eingeführt, in Großbritannien wird neben einer Extrasteuer auch die Begrenzung der an Kinder gerichteten Snack- und Cola-Reklame diskutiert. Liselotte Schäfer Elinder möchte angesichts der international arbeitenden und Lobbyarbeit betreibenden Lebensmittelmultis das Thema der Entfettung daher gern so bald wie möglich auf EU-Ebene behandelt sehen.

REINHARD WOLFF