Afrika ohne Pillen

„Ärzte ohne Grenzen“: Einigung im Streit über Medizin-Patente geht zulasten der Entwicklungsländer

BERLIN taz ■ Die Welthandelsorganisation WTO wolle den Zugang armer Länder zu Arzneimitteln erschweren, befürchten die „Ärzte ohne Grenzen“. Dies sei der Inhalt eines Kompromisses zwischen den USA und der Europäischen Union. „Die Nutzung von Medikamenten in den Entwicklungsländern könnte den Interessen der Pharmaindustrie geopfert werden“, sagt Tobias Luppe von Ärzte ohne Grenzen.

Der Konflikt: Vor der Welthandelskonferenz im mexikanischen Cancún ab 10. September will die WTO den Streit um die Medizinpatente endgültig beilegen. Die Auseinandersetzung ist seit der Handelskonferenz von Doha 2001 im Gange. Damals war man sich einig, dass Entwicklungsländer billige, nachgemachte Medikamente gegen Aids und andere Krankheiten nicht nur produzieren, sondern auch einführen dürfen – und dabei keine Rücksicht auf bestehende Patente der großen Pharmakonzerne nehmen müssen. Kurz nach Doha aber wollten die USA die Verwendung der Nachahmer-Präparate, so genannter Generika, auf Aids, Malaria und Tuberkulose beschränkt wissen. Um die US-Pharmaindustrie doch noch zum Einlenken zu bewegen, haben die EU und Entwicklungsländer im Dezember 2002 die Hand ausgestreckt: Die Verwendung von Generika sollte nur in „Notfällen“ möglich sein.

Weil auch das nicht ausreichte, um die US-Medizinkonzerne wie Pfizer zufrieden zu stellen, liegt nun ein weiterer Kompromissvorschlag auf dem Tisch. Diesen halten die Ärzte ohne Grenzen für einen Rückschritt. Vanu Gopala Menon, der gegenwärtige Präsident des Trips-Abkommens über geistiges Eigentum, will die Verwendung von Generika weiter einschränken, indem er eine Präambel formuliert hat. Darin steht recht blumig, dass Generika „keinen industriellen und wirtschaftlichen Politikinteressen dienen“ dürfen. Welchen Sinn freilich sollte es aber für Indien oder Brasilien haben, ein Medikament etwa nach Mali zu exportieren, wenn damit nicht „wirtschaftliche“ Interessen verbunden sind, fragt man sich bei Ärzte ohne Grenzen. Er sieht darin ein zusätzliches Hindernis. Die Präambel diene damit vor allem der US-Pharmaindustrie. HANNES KOCH