Zwischen Trockenklosett und Gasmaske

Der Verein „Berliner Unterwelten“ zeigt seit gestern die erweiterte Ausstellung im ehemaligen Luftschutzbunker B im U-Bahnhof Gesundbrunnen. Ausgestellte Trümmer und Originalmobiliar bringen die Beklemmung des Bombenkriegs nahe

von ALENA SCHRÖDER

Im Humboldthain zwitschern die Vögel, die lindgrünen Kacheln am Eingang zum U-Bahnhof Gesundbrunnen glänzen freundlich in der Sonne, der Wedding ist friedlich. Nur zwei mannshohe Betonzylinder vor dem Eingang zum U-Bahnhof erinnern an eine weniger friedliche Zeit: Als Einpersonenbunker boten sie während der Bombardierung Berlins im Zweiten Weltkrieg Einzelnen Schutz vor Bombensplittern und umherfliegenden Trümmerteilen. Heute markieren sie den Eingang zum Berliner Unterwelten-Museum im ehemaligen Luftschutzbunker B.

„Sie betreten jetzt eine völlig andere Welt“, sagt Kay Heyne, der als Mitglied des Vereins „Berliner Unterwelten“ die Führung durch die 1.200 Quadratmeter große Bunkeranlage im U-Bahnhof Gesundbrunnen leitet. Eine unscheinbare, rostige Stahltür auf dem Treppenabsatz am Bahnsteig der U 8 führt in die labyrinthische Anlage – ein Warnschild am Eingang weist darauf hin, die Tür erst zu schließen, „wenn Bombeneinschläge zu hören sind“. Fällt die schwere Tür ins Schloss, dringen außer dem Grollen der vorbeifahrenden U-Bahn keine Geräusche durch die Betonwände. Bis zu 1.300 Personen drängten sich bei mehrfacher Überbelegung während der Bombenangriffe in den kargen Schutzräumen, die Atemluft reichte für höchstens zweieinhalb Stunden.

Von dem ursprünglichen Mobiliar des Bunkers ist nichts übrig geblieben, nach dem Ende des Krieges räumten Plünderer die Anlage leer. Nur die fluoreszierenden Leuchtstreifen und Warnschilder an den Betonwänden blieben erhalten.

Dass man als Besucher trotzdem nicht nur die beklemmende Atmosphäre, sondern auch den Alltag im Luftschutzbunker erfahren kann, liegt vor allem an der Arbeit des Vereins „Berliner Unterwelten“, der seit sieben Jahren die geschichtsträchtigen unterirdischen Anlagen Berlins erforscht und der Öffentlichkeit zugänglich macht. 1998 hat der Verein den Bunker im U-Bahnhof Gesundbrunnen von der BVG gemietet und dort über Jahre verschiedene Fundstücke aus dem Berliner Untergrund für ein Museum zusammengetragen; die erweiterte Ausstellung kann nun jeden Montag um 10, 12 und 14 Uhr besichtigt werden.

Einige Räume sind wieder mit original Notbetten und Bänken ausgestattet, am „Frauenabort“ stehen bunkertaugliche „Torfstreu-Trockenklosetts“. Auch der ehemalige Sanitätsraum wurde wieder eingerichtet. „Manchmal kommen Besucher, die einfach mal sehen wollen, wo sie geboren wurden“, sagt Kay Heyne. Viele schwangere Frauen mussten ihre Kinder auf den Notpritschen des kleinen Bunkerhospitals zur Welt bringen.

Die Ausstellung zeigt neben großen Farbfotografien von anderen Bunkeranlagen auch Trümmerfundstücke, die Bauarbeiten wieder ans Tageslicht befördert haben: zerschossenes Porzellan, durch die Hitze der Brandbomben verbogene Weingläser, Kinderschuhe, Gebissprothesen, Taschenuhren. Aber auch Munitionsreste, Gasmasken für Kleinkinder und Haustiere oder Ausrüstungsteile von Soldaten, die in Berlin gestorben sind. In einem Raum sind Erinnerungen von Zeitzeugen an den Bombenkrieg dokumentiert.

„Das fasst einen richtig an“, sagt eine Besucherin, die 1942 mit ihrer Mutter aus Berlin evakuiert wurde und die Gruselatmosphäre der Bunker bislang nur aus Erzählungen kannte. Ein an den Bunker B angrenzender weiterer Luftschutzkeller kann bislang nur durch ein Gitter betrachtet werden: Der rechtliche Eigentümer der Anlage steht noch immer nicht fest. „Der Bunker ist einer der letzten weißen Flecken auf der Landkarte dieser Stadt“, sagt Kay Heyne.

Die muffigen Flure lassen kaum erahnen, dass sich direkt darüber eine in Berlin einmalige Konstruktion befindet. Der Architekt des an dieser Stelle in den 80er-Jahren errichteten Gebäudes lies zwischen Bunker und Fundament 4.000 Stahlfedern einbauen, um den Neubau unnötigerweise gegen die Vibrationen der U-Bahn zu schützen. In der Pizzeria, die heute direkt über dem einstigen Schutzraum liegt, kann man seitdem nicht nur bomben-, sondern auch erdbebensicher speisen.

Führungen immer montags um10, 12, und 14 Uhr.Infos: www.berliner-unterwelten.de