Erzählungen vom Neubeginn

Der Generationswechsel vollzieht sich, aber die Verlagskrise ist schneller: Das „Kursbuch“ sucht einen neuen Verlag

Es war ein schönes Fest, als Ingrid Karsunke vor etwa einem Jahr in den Ruhestand verabschiedet wurde. Es gab Wein und Schnittchen, es war ein heißer Sommertag, und in den neuen Räumen des Kursbuchs war es voll, viele Leute waren gekommen, um der langjährigen Redakteurin der Zeitschrift weiterhin alles Gute zu wünschen und der Zeitschrift selbst auch. Alexander Fest, der Verleger des Rowohlt Verlages, hielt eine kleine Lobrede, bei der es allerdings Probleme mit der Mikrofonanlage gab.

Nun, ein Jahr später, muss man feststellen, dass die Kommunikation gar nicht mehr klappt und womöglich bald ein Abschied bevorsteht, der dann aber kaum feierlich begangen wird. Das Kursbuch erscheint im Rowohlt-Imprint Rowohlt Berlin. Und der hat den Vertrag gekündigt, mit der Wirkung vom Ende Juni kommenden Jahres. Was dann kommt, ist unsicher. Ein neuer Verlag wird gesucht.

Das Kursbuch hat eine große Vergangenheit, manche Ausgabe zum „Tod der Literatur“, zur „Jugend“ oder zur „Provinz“ sind legendär. Im Laufe der Jahre sind die Abonnentenzahlen allerdings gesunken. Natürlich liegt es nun nahe, darüber nachzudenken, ob die Zeitschrift ein Unternehmen war, das zusammen mit der 68er-Generation gealtert ist. Alexander Fest scheint das zu glauben (siehe taz von gestern).

Ina Hartwig, Herausgeberin der Zeitschrift (zusammen mit Tilman Spengler), hält im Gespräch mit der taz dagegen. Sie verweist darauf, dass im vergangenen Jahr zwei sehr erfolgreiche Ausgaben produziert wurden. Die Hefte zum Thema „Das Alter“ (10.000 Exemplare) und „Die Dreißigjährigen“ (9.000 Exemplare) haben sich sehr gut verkauft. Für Ina Hartwig ist das ein Zeichen dafür, dass sich mit einzelnen Heften sehr wohl neue Leserkreise mobilisieren lassen. Das Heft über die Dreißigjährigen hatte, lässt sich ergänzen, auch sehr junge Autorinnen und Autoren; 68 tauchte in vielen Texten noch nicht einmal mehr als wichtiger biografischer Bezugspunkt auf. Zum Vergleich ist es gut zu wissen, dass im aktuellen Buchgeschäft 5.000 verkaufte Exemplare als Erfolg gelten.

Für Ina Hartwig ist es so, dass der notwendige Generationswechsel in der Leser- und Autorschaft gerade dabei ist, sich zu vollziehen, nun aber von der aktuellen Krise im Verlagswesen eingeholt wurde. An dieser Sicht ist vieles dran. Richtig ist, dass der Rowohlt Verlag derzeit, wie die Branche insgesamt, nichts zu verschenken hat und in das Kursbuch nicht mehr investieren wollte oder konnte. Die regelmäßige Anzeige in der Zeit wurde gestrichen, ein dringend notweniger Internetauftritt verweigert. Das macht es neuen Lesern schwer, sich für das aktuelle Heft zu interessieren.

Richtig ist aber auch, dass der Generationswechsel nicht mit einem inszenierten Neuanfang begleitet wurde. Vielleicht kann man von der Kursbuch-Krise lernen, dass es dann und wann nicht schadet, Aufmerksamkeit durch konsequente Relaunchs oder ähnliche Erzählungen vom Neubeginn zu generieren. Aber das kann man dann mit einem hoffentlich bald gefundenen neuen Verlag ja nachholen.

DIRK KNIPPHALS

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