Ein Millionär zahlt auch nicht mehr

aus Zürich TONI KEPPELER

Als in der Schweiz am 1. Januar 1996 das Krankenversicherungsgesetz in Kraft trat, wollte das Parlament damit drei Dinge erreichen: Es sollten die gesellschaftliche Solidarität bei der Finanzierung des Krankenwesens gestärkt, die Kosten gedämpft und die hohe Versorgungsqualität gesichert werden.

Tatsächlich wurde – mit Einschränkungen – nur das letzte Ziel erreicht: Mit der obligatorischen Grundversicherung (vorher gab es keine Pflichtversicherung) hat jeder, der in der Schweiz lebt, Zugang zu einem engmaschigen Netz aus niedergelassenen Ärzten und Kantonalskrankenhäusern. Die Versicherung deckt Prävention, Medikamente, ambulante und stationäre medizinische Versorgung und Pflege ab. Allerdings: Zahnärztliche Behandlung oder Zahnersatz sind nicht versichert. Und die durchweg privaten Versicherungen bezahlen keinen Lohnausgleich im Krankheitsfall.

Das Ziel der Kostendämpfung wurde weit verfehlt. Das Schweizer Gesundheitswesen schluckt 10,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Weltweit liegen nur noch die USA darüber, Deutschland ein paar Zehntelprozentpunkte darunter. Der Umfang der von den Versicherungen bezahlten Leistungen stieg von 1996 bis 2001 um 31,5 Prozent, die den Patienten zusätzlich zur Versicherungsprämie abverlangte Eigenbeteiligung sogar um 42,9 Prozent. Die Beiträge selbst stiegen allein von 2002 auf 2003 um 10 Prozent.

Was die Berner Regierung unter Solidarität versteht, blieb schließlich völlig unklar. Jeder Schweizer, egal ob Multimillionär oder Fabrikarbeiter, bezahlt im selben Kanton in derselben Kasse dasselbe. Und er bezahlt alleine. Der Arbeitgeber bezahlt nichts. Nur für unter 25-Jährige gibt es Rabatte. Einkommensschwache können Zuschüsse vom Bund und Kanton bekommen. In der Theorie sollen die Beiträge 10 Prozent des Familieneinkommens nicht übersteigen. In der Praxis aber tun sie es oft genug trotzdem.

Im Durchschnitt bezahlt jeder eine Kopfprämie von 269 Franken (rund 180 Euro) im Monat. Dazu kommen im Krankheitsfall die ersten 230 Franken im Jahr (Jahresfranchise) und von den ersten 6.000 Franken weitere 10 Prozent (Selbstbehalt). Vorteile haben jene, die gerne ein Risiko eingehen: Die monatlichen Beiträge können durch eine höhere Jahresfranchise (bis 1.500 Franken) gesenkt werden.