Kaufhausbrand schockiert Paraguay

Bisher mindestens 340 Todesopfer. Augenzeugen berichten von absichtlich versperrten Ausgängen, um Kunden zum Bezahlen zu zwingen. Unter den Opfern auch Deutscher mit Kind. Ursache war Explosion eines Gasbehälters

BUENOS AIRES taz ■ Bei einem Brand in einem Einkaufszentrum in Paraguays Hauptstadt Asunción kamen am Sonntagnachmittag nach Polizeiangaben mindestens 340 Menschen ums Leben, 300 wurden zum Teil schwer verletzt. Wie dutzende Augenzeugen berichteten, hätten Wachleute des Einkaufszentrums nach Ausbruch des Feuers die Türen verschlossen, um Plünderungen zu verhindern. Damit wurde der Komplex der Kette Ykuá Bolaños zur tödlichen Falle. Von draußen warfen Passanten Steine gegen die Glastüren, um die Eingeschlossenen zu befreien. Erst als Polizei und Feuerwehr angerückt waren, öffneten die Wachleute die Türen. Unter den Toten waren auch ein 40-jähriger Deutscher und sein Baby.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft gegen den Besitzer Juan Pío Paiva Haftbefehl erlassen. Paiva bestreitet, dass die Türen verschlossen waren. „Ich weise diese Vorwürfe entschieden von mir“, sagte er, „es scheint, dass sich das Feuer sehr schnell ausgebreitet hat, was Panik unter den Besuchern auslöste.“ Paiva ist der Besitzer der Supermarktkette Ykuá Bolaños und ein bekannter Geschäftsmann in Paraguay.

Paraguays Präsident Nicanor Duarte ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. „Ich habe alle Rettungsteams im Land angewiesen zu helfen“, sagte er. Nach einer Ortsbegehung sagte sein Gesundheitsminister Julio César Velázquez: „Noch nie habe ich ein solches Desaster gesehen.“ Vor dem Einkaufszentrum lagen verkohlte Leichen. Den ganzen Sonntag über bargen Feuerwehrleute Tote aus dem Gebäude. Das Nachbarland Argentinien sandte noch am Sonntag Hilfsgüter per Flugzeug, auch Brasilien lieferte Hilfsgüter. Aus Spanien kam ebenfalls ein Hilfeangebot.

Die Krankenhäuser von Asunción sind zwar auf Brandverletzungen vorbereitet, angesichts der hohen Zahl von Verletzten fehlt es jedoch an allem. Laut Luis Díaz de Bedoya, Präsident des paraguayischen Roten Kreuzes, sind Asuncións Krankenhäuser hoffnungslos überlastet. „Die Tragödie hat alle Kapazitäten gesprengt, es herrscht Chaos“, sagte er. Ärzte rechnen mit weiteren Todesopfern.

Das Feuer entzündete sich gegen 11.30 Uhr Ortszeit, als in einem Schnellrestaurant des Einkaufszentrums eine Gasflasche explodierte. Zu dieser Zeit waren etwa 700 Menschen in dem Gebäudekomplex. Kurz nach der Explosion fing die Deckenkonstruktion aus Holz und Aluminium Feuer. Binnen weniger Minuten stand das ganze Einkaufszentrum in Flammen. „Unerklärlicherweise hat sich das Feuer sofort und schnell ausgebreitet“, sagte ein Feuerwehrmann, der nach der Brandursache sucht. Selbst der unterirdische Parkplatz stand in Flammen. „Es fing plötzlich an, Feuer zu regnen“, so eine Augenzeugin. Erst drei Stunden nach Ausbruch des Feuers bekamen die Rettungsmannschaften den Brand unter Kontrolle. INGO MALCHER