Marmelade raus aus dem Kopf

Mit hohen Etats machen sich die Nord-Clubs im Handball auf den Weg, sich vom provinziellen Image zu befreien. Fraglich bleibt, wie lange sie es sich leisten können

Hamburg taz ■ Mit unterschiedlichen Hoffnungen starten die sechs Handball-Clubs des Nordens in die 27. Bundesligasaison. Während sich der Wilhelmshavener SV und der Stralsunder HV wohl gegen den Abstieg wehren müssen, beginnt für Nordhorn und Hamburg sowie die beiden Meisterschaftsanwärter Flensburg und Kiel wohl der Kampf um internationale Plätze und den Einzug in die Champions League. Die Handball-Liga (HBL), die sich seit dem 1. Juli losgelöst vom Deutschen Handball-Bund (DHB) in einem Ligaverband selbst verwaltet, startet trotz Wirtschaftskrise mit einem Rekord-Etat von rund 43,5 Millionen Euro in die Saison. Das sind 2,4 Millionen mehr als im Vorjahr. Damit ist die Grenze des Machbaren für die 18 Bundesligamanschaften fast überschritten, wie der Vorsitzende des Liga-Verbandes, Heinz Jacobsen, meint. „Alle Vereine werden hart daran zu arbeiten haben, dass es keine Einbrüche gibt“, mahnt er vor dem heutigen Liga-Start.

Über das wenigste Geld im Norden verfügen Aufsteiger Stralsund (1,1 Millionen) Wilhelmshaven (1,5) und Nordhorn mit 2 Millionen Euro, was bei Stralsund und Wilhelmshaven bereits eine Etat-Aufstockung bedeutet. Der Liga-Dagobert kommt aus Kiel. 4,8 Millionen gibt der THW als Etat an. Aber auch der HSV und Flensburg lassen sich mit 4,5 beziehungsweise 3,4 Millionen Euro nicht lumpen. Etatmäßig vollzieht Hamburg mit zusätzlichen 700.000 Euro gegenüber dem Vorjahr gar den größten Sprung.

Notwendige Investitionen für das aus Bad Schwartau nach Hamburg umgezogene Handballteam, wie Trainer Bob Hanning jüngst rechtfertigte. „Wir hatten zu viel Schwartau-Mentalität und zu wenig Hamburger Denken.“ Nach dem die Marmelade aus dem Kopf ist, muss der handballernde HSV aufpassen, dass er nicht dem fußballernden HSV mit seinem 14-Millionen-Loch nacheifert.

Das man auch mit einem Underdog Image und einer kleinen Halle erfolgreich sein kann, glaubt hingegen der Manager des Willhelmsavener HV, Dieter Koopmann. „Mit unserer engen Halle und den 3.000 Fans werden wir den Großen sicher den ein oder anderen Punkt abluchsen“. Deshalb herrsche unter den Nord-Clubs auch keine Missgunst. Koopmann glaubt, dass „die sechs aus dem hohen Norden“ voneinander lernen können. „Und nicht nur wir von denen.“ Mit dem Umzug habe der HSV ein Signal gesetzt, dass der Handball auch in der Großstadt funktioniert und Hallen wie die Color Line Arena füllen kann. Eine Umzugswelle der Vereine in die größeren Städte befürchtet er indes nicht. Denn die Zukunft des Handballs sieht er weiterhin eher in der Provinz als in der Großstadt. Tonio Postel