Glas und Jobs statt Denkmalschutz

Eine Firma durfte am Kreuzberger Planufer eine moderne Glaskonstruktion auf einen Gründerzeitbau setzen – trotz Bedenken der Denkmalschützer. Sie hat 120 Arbeitsplätze

Politik – ein bürgerfernes Geschäft? Der Einzelne kann sowieso nichts erreichen und bleibt mit seinen Anliegen in der Bürokratie hängen? Alles Quatsch, wer es richtig anstellt, kann einiges bewegen, zum Beispiel ein Glasdach auf ein Gründerzeithaus setzen.

Anwohner in der Gegend des Kreuzberger Planufers trauten ihren Augen nicht, als vor einigen Tagen die Abdeckplanen um das Gerüst der Hausnummer 92 b fielen. Der gesamte Straßenzug steht unter Denkmalschutz und trotzdem paarte sich nun auf dem besagten Haus Glas mit Gründerzeit. Die Firma Hübner Elektromaschinen AG hatte ihr schon zu Kaisers Zeiten errichtetes Gebäude mit einer High-Tech-mäßigen nach vorne hin schräg abfallenden Dachkonstruktion erweitert – ein gläsernes Ministockwerk für Entwicklungs- und Konstruktionsräume.

Anwohner, die erfahren wollten, warum hier zusammenkam, was eigentlich Jahrhunderte trennt, erfuhren von der zuständigen Bauaufsicht, dass ja auch der Denkmalschutz beteiligt war. Alles habe also seine Ordnung. Auch Lothar Wilhelmy, Vorstand der Hübner AG, wiegelt ab: Im Einvernehmen mit dem Bezirksamt habe man entschieden, dass die Dachschräge auch unter Berücksichtigung denkmalschützerischer Belange gestaltet wird. Weiter will er sich dazu nicht äußern.

Der zuständige Denkmalschützer Olaf Vogt hat das etwas anders in Erinnerung. Er bekam den Bauantrag tatsächlich vorgelegt – jedoch nur zum Abnicken. „Ich habe deutlich gemacht, dass ich das so nicht unterstützen kann“, sagt Vogt. Das bauliche Bestand werde nicht respektiert und das historische Bild bleibe nicht erhalten.

Laut Berliner Denkmalschutzgesetz kann ein geschütztes Bauwerk nur mit Zustimmung der Denkmalschutzbehörde verändert werden. Bezirksbaustadtrat Franz Schulz (Grüne) segnete die Erweiterung trotzdem ab. Das Gesetz lässt eine Genehmigung zu, wenn ein höheres öffentliches Interesse besteht. „Die Firma sichert 120 hochqualifizierte Arbeitsplätze.“ In Kreuzberg gibt es davon nicht allzu viele und die Hübner AG konnte laut Schulz überzeugend darlegen, dass der Standort ohne Glas auf dem Dach zu Bruch ginge. Bezirksamt, rück die Genehmigung raus, sonst sind die Jobs weg? „In so einer Situation warte ich natürlich nicht, bis die Firma weg ist, um herauszufinden, ob sie es ernst meint“, sagt Schulz.

Der Beamte Vogt war gegen diese Argumentation chancenlos: „Versuchen Sie da mal noch mit dem Denkmalschutz zu winken.“ Sein Vorgesetzter Schulz stellt denn auch klar, dass für den Kreuzberger Otto Normalbürger die Abkürzung auf dem Weg durch die Bürokratie verschlossen bleibt: „Es wäre keine Genehmigung erteilt worden, wenn es sich hier um Wohnraum gehandelt hätte.“ Bürgerbeteiligung hat eben ihre Grenzen.

STEFFEN BECKER