berliner szenen Im Migrantenstadl

Kölle alaaf!

Kaum zurück in Deutschland, begehe ich den Fehler der Woche. Ich schalte das Radio ein, wie immer auf 96,3. Ein mir unbekannter Moderator ist zu hören. Wer ist das? Hirn und Herz hatten durch drei Monate im Ausland vergessen, dass Radio Multikulti während meiner Abwesenheit abgeschaltet wurde. Die Kölner sind jetzt an der Multikulti-Macht, „Funkhaus Europa!“ tönt das Jingle. Es geht um Karneval und noch mal Karneval, und um das Eigene und das Fremde. Und dass es da immer noch deutliche Grenzen gibt. Zur Sitzung eines migrantischen Faschingsvereins sagt der Reporter: „Die türkischstämmigen Migranten…“ Ja, was denn nun? Haben die Feiernden Eltern aus der Türkei oder sind sie selbst ausgewandert?

„Türkischstämmiger Migrant“, das klingt fast wie weißer Rappe. Oder wie ein Satz von jemandem, der alles richtig machen will und dabei doch ins Fettnäpfchen langt. „Die türkischstämmigen Migranten haben so gefeiert wie bei einer normalen Karnevalssitzung!“ Wille zur Political Correctness ist da, Akzeptanz des Normalen nicht. Fast richtig hat der türkischstämmige Migrant also gefeiert, soso. Bei Radio Multikulti ist man schon mal weiter gewesen. Da waren es Berliner, die gefeiert und gelebt haben. Höre ich da die Sendung „Mein Freund, der Ausländer“? Gut gemeint, schlecht rübergebracht. Ich fühle mich, als ob mir jemand durchs Radio zuzwinkert: Schau mal, wir akzeptieren die da voll!

Ein paar Tage später geht es weiter mit dem „Migrantenstadl“ beim Frühstück und beim Arbeiten. Mein Freund und ich schauen uns quer über den Tisch halb gequält, halb belustigt an. „Schau mal, der Migrant kann Männchen machen!“, sagt er dann. Radio Multikulti ist tot. Kölle alaaf! Was für ein Aschermittwoch.

MIRIAM JANKE