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Hate als Lifestyle

„Ist doch logen, wir sind auf Drogen.“ In Berlin gibt es jetzt die „Hate“, eine Zeitschrift aus dem Lager der Antideutschen, denen die „Konkret“ zu verstaubt ist. Ist das tabubrechend oder eher verirrend und verwirrend? Ein Besuch bei den Machern

Tendenziell, so Scholz, sehen sie sich dem Milieu der „Anti- deutschen“ zugehörig

VON ANDREAS HARTMANN

„Hate“ ist dann vielleicht doch nicht das Gleiche wie „Hass“. So wie sich „fashion week“ anders anhört als „Modewoche“. „Hass“ klingt so unversöhnlich, so total, „Hate“ dagegen wirkt viel spielerischer, offener, uneigentlicher. Deswegen heißt das Magazin, das ein Berliner Pärchen alle drei Monate herausgibt, eben Hate und nicht Hass und im Untertitel nicht etwa „Zeitschrift gegen alles“, sondern „Magazin für Relevanz und Stil“.

Um „Hate als Lifestyle“ soll es, Titel und Untertitel mal grob zusammengefasst, gehen, so Nina Scholz, die zusammen mit Jonas Gempp die Redaktion des Blattes bildet und die von sich selbst sagt, sie sei „eigentlich ein gutgelaunter Mensch“. Und wer Nina Scholz schon einmal gegenübersaß, kann eigentlich auch wirklich nichts anderes behaupten.

„Hate als Lifestyle“, was das wiederum genauer sein soll, erklärt Scholz als Positionierung „gegen den Gutmenschenkonsens, der sich vom linken bis zum BWL-Studenten überall finden lässt und für den gilt ‚Bio ist gut, Amerika ist schlecht‘ usw.“ Aha, man will also tabubrecherisch und provokativ sein? Nein, nein, winkt Scholz ab, das klingt ihr auch schon wieder zu phrasenhaft, zu medienzirkusmäßig, zu sehr nach der Henryk-M.-Broder-Pose. Was genau will Hate denn dann? Scholz sagt: „Hass als produktives Gefühl nutzen“. Klingt ein wenig nach dem Verlangen nach Selbsttherapie und ist wohl auch so gemeint. In vielen Hate-Texten dürfen und sollen dann auch die Ressentiments und Bauchgefühle nur so sprudeln. Da „ekelt“ sich ein Autor „vor der politisch korrekten Schwemme und ihren modischen Auswüchsen auf den Raves der Hauptstadt“, und ein kritischer Text über den Kunstbetrieb bekommt eine Überschrift versehen, die keine Zweifel über die Haltung des Autors lässt; der Text heißt „Art Shit“.

Ohne auf eine Blattlinie, Anzeigenkunden und den allgemeinen guten Geschmack Rücksicht nehmen zu müssen, darf der Hate-Autor in seinen Texten somit etwas von sich geben, das in arrivierteren Medien nur schwerlich abgedruckt werden würde. Oft ist das Behaupten eines „Ich“ gegen „Euch“ nur banal und enervierend. Manchmal haut das Hate-Prinzip der radikalen Subjektivierung und journalistischen Freiheit aber auch hin, und ein Text wirkt richtiggehend erfrischend. In der ersten Ausgabe war das beispielsweise ein ewig langes Interview mit einem pädophilen Blogger, in der aktuellen Nummer ein Gespräch mit einem Ich-will-die-Mauer-zurück-Ossi. Der Pädophile und der Stasi-Fan werden nicht bloßgestellt, sondern ernst genommen. Provokant ist also der Meinungspluralismus, für den Hate sich stark macht.

Auch komische Vögel, die sich ansonsten in die Weiten des Internets verbannt sehen, wo bekanntlich nichts so abstrus ist, dass sich damit nicht auch noch jemand in irgendeinem Blogg beschäftigt, finden hier also ihren Platz, gesellschaftlich Ausgestoßene und Systemverlierer eine andere Öffentlichkeit. Ihren Lesern auch Pädophile in ihren eigenen Worten zuzumuten, das ist eine der Stärken des Magazins. Bild Dir Deine Meinung. Selbst. Wahrscheinlich versteht man Hate besser, wenn man das Magazin innerhalb des linken Spektrums einordnet, wo es sich selbst verortet. Tendenziell, so Scholz, sehen sie und ihr Freund Jonas Gempp sich eher dem Milieu der sogenannten Antideutschen zugehörig. Das sind die mit der Israel-Solidarität. Die Antideutschen halten sich gerne zugute, nicht so langweilig zu sein wie herkömmliche Linke und auf Partys Techno zu hören und keine Weltmusik. In herkömmlichen Medien dieser Antideutschen, etwa der Phase 2 aus Leipzig oder der Konkret, spiegelt sich die selbsterklärte hedonistische Grundhaltung dieser Strömung jedoch kaum wider, das eine Blatt ist eine Art Adorno-Fanzine, das andere eine monatliche Aufsatzsammlung alter Herren. Im direkten Vergleich zur linkssektiererischen Ödnis dieser Magazine wirkt allein schon eine der Überschriften eines Textes in der aktuellen Hate-Ausgabe wie eine Party im Seminarraum: „Ist doch logen, wir sind auf Drogen.“

Noch ist das Magazin sichtbar darum bemüht, eine Form zu finden, und auch was „Hate als Lifestyle“ wirklich sein soll, muss noch klarer definiert werden. Trotzdem sei der Zuspruch bereits groß, sagt Scholz, auf Partys werde sie auf ihr Magazin angesprochen, und selbst aus der Provinz bekomme sie Zuschriften von Fans, die an eines der kostenlosen Exemplare des in einer Auflage von 2.500 Stück gedruckten Magazins herangekommen sind. Und in der Art und Weise, mit der die Zeitschrift herausgegeben wird, wirkt sie sogar innovativ. Es gibt einen erweiterten Herausgeberkreis, der das Heft finanziell unterstützt und abonniert.

Außerdem wird zu jeder neuen Ausgabe eine riesige Party mit renommierten DJs aus dem Umfeld des eigenen unmittelbaren Freundeskreises organisiert, die kostenlos auflegen und entscheidend dazu beitragen, die Druckkosten wieder einzuspielen. Prekär bleibt das Ganze natürlich trotzdem, niemand sieht hier Geld. Scholz sagt: „Wir haben gerade nichts anderes als unsere Glaubwürdigkeit.“ Aber das Party- und Herausgeberkonzept trägt das Non-Profit-Projekt immerhin. Der Vertrieb arbeitet glücklicherweise ebenfalls, ohne eine Rechnung zu stellen: „Verteilt werden die Hefte von mir und meinem Papa im Auto“, sagt Nina Scholz. Da scheint ein Papa seine Tochter sehr lieb zu haben.

www.hate-mag.com

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