Vom Segen der Leistungskonzentration

Seit dieser Saison haben auch A-Jugend-Fußballer ihre eigene Bundesliga: Kritiker der neuen Struktur befürchten nun aber einen Talentverlust in der Breite, wenn Amateurvereine die gestiegenen Kosten nicht mehr tragen können

Kleine Vereine werden ausgegrenzt. In Zukunft droht eine Zweiklassengesellschaft

BERLIN taz ■ Im Westen nichts Neues. Dort kickt auch künftig die A-Jugend des VfL Bochum gegen die von Rot-Weiß Essen, und die von Wattenscheid 09 gegen Borussia Dortmund, nur halt nicht mehr als Regionalliga, sondern in der zu dieser Saison frisch installierten Bundesliga.

Vor allem mehr Bewegung bringt die neue Struktur, die bisher fünf Regionalliga- auf jetzt drei Bundesliga-Staffeln mit 42 Mannschaften verdichtet, in den Nachwuchsfußball des Südens und Südwestens der Republik. „Aus nordostdeutscher Sicht ist das sehr positiv“, urteilt Wolf Werner, Leiter des Jugendinternats von Werder Bremen, „weil die Liga erheblich aufgewertet wird.“ Die Jungs von der Weser dürfen jetzt bei Carl Zeiss Jena antreten, während sich die A-Jugend des VfB Leipzig über zwei schöne Reisen nach Hamburg zum HSV bzw. FC St. Pauli freut.

Außer Spesen nix gewesen? Wenn die mal reichen würden für die Amateure, die auch noch mitmachen dürfen. 7.000 Euro erhält etwa Union 60 Bremen als Zuschuss vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) für die ganze Serie, und das „ist absolut zu wenig“, wie Frank Kunzendorf konstatiert, davon könne er „noch nicht mal den Bus bezahlen“. Kunzendorf trainiert die einzige Mannschaft in der neuen A-Jugend-Bundesliga, deren Verein im Herrenbereich nur in der Landesliga, der sechsten Spielklasse, kickt – nachdem man sich als Siebenter der Regionalliga Nord gerade noch für die neue Bundesliga qualifizieren konnte. Im Verein, der „selbst gar nichts dazu bezahlt“, sieht man den Höhenflug der über Sponsoren finanzierten Youngster denn auch „mit gemischten Gefühlen, weil natürlich nicht alle Spieler im Verein bleiben, die man gern hätte. Die Guten gehen dann in die Ober- oder Regionalliga“.

Beim Oberligisten Tennis Borussia Berlin will man dem Exodus der Leistungsträger nach dem letzten A-Jugend-Jahr auf dem Präsentierteller Bundesliga mit einer Vertragsoption auf Weiterbeschäftigung vorbeugen. „Wir hoffen, dass diese Spieler dann zumindest erst mal für ein Jahr bleiben“, sagt A-Jugend-Betreuer Manfred Engel. TB finanziert das Bundesliga-Abenteuer über einen Förderverein, der sich, so Engel, „jetzt ausschließlich um die Jugend kümmert“.

Gleich 15 neue Spieler musste Frank Kunzendorf, dem vom Kollegen Werner ob des Sprungs in die Bundesliga „blitzsaubere Arbeit“ attestiert wird, bei Union 60 in seinen neuen Kader integrieren, „ein schwieriges Amt, aber wir wollen uns so teuer wie möglich verkaufen“. Dass dies noch lange möglich sein wird, bezweifelt der Nachwuchstrainer: „In zwei, drei Jahren werden nur noch Bundesliga-Vereine in der A-Jugend-Bundesliga spielen“, die Kleinen wolle man „doch gar nicht dabeihaben“. Er prognostiziert „eine Zweiklassengesellschaft“, die dann irgendwann auch so organisiert sein werde: Nur noch in zwei statt jetzt drei Staffeln, irgendwann womöglich gar eingleisig.

Dem DFB, der mit der Etablierung der A-Jugendbundesliga „eine Erhöhung der Leistungskonzentration“ anstrebt, dürfte das weitere Abschmelzen der Amateurränder prinzipiell entgegenkommen. Eine Logik, die zu kurz greift, fürchten Kritiker der Tendenz, den Auslesehebel immer früher anzusetzen: Ab 2004 sollen sogar schon C-Jugendliche in den verschärften Regionalliga-Wettbewerb geschickt werden. „Da gehen die kleinen Vereine doch den Bach runter“, sieht Frank Kunzendorf eine „Verschärfung der Problematik“ voraus. „Weil dann die großen kommen und die guten Spieler schon in der D-Jugend wegholen. Das halte ich nicht für sinnvoll, auch für die Kinder nicht.“ Vor allem nicht für die, die beim großen Verein wieder aussortiert werden und enttäuscht dem organisierten Kick womöglich abhanden kommen.

Geht so dem Fußball nicht die Breite verloren als unverzichtbare Basis für große Bewegungstalente? Wolf Werner sieht da „keinen Konflikt“, sondern „höchstens einen Ansporn für die Breite. Was wollen die Jungs? Die wollen alle in die Bundesliga. Und wer just for fun spielen will, hat noch genügend Möglichkeiten“.

Das Problem des deutschen Fußballs sieht der ehemalige Trainer der Profis von Mönchengladbach ganz woanders: „Der Übergang von der Jugend zu den Senioren ist auf keine vernünftige Basis gestellt.“ Werner plädiert schon länger –wie just auch die Funktionärsgrößen Mayer-Vorfelder und Beckenbauer – für eine deutliche Begrenzung des Nicht-EU-Ausländerkontingents, um den deutschen Talentestau aufzulösen und die nötige Spielpraxis in Regional- und Bundesligen zu gewährleisten. Da hilft die neue A-Jugend-Bundesliga auch nicht weiter. JÖRG FEYER