Fisch sucht Leser

Um neue Leser zu gewinnen, setzt die Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ auf Ü-30-Partyberichterstattung

Seit einiger Zeit bemüht sich die Oldenburger Nordwest-Zeitung (NWZ) verstärkt um Profilierung im Segment Partyberichterstattung. Vor allem Feten für über Dreißigjährige und Singles haben es dem Blatt angetan. Das entspringt dem Wunsch nach Verjüngung der Leserschaft: Die Mittelalten sollen dort abgeholt werden, wo sie feiern, und so zu neuen Lesern werden.

Zuletzt schickte die Lokalredaktion der Zeitung, die in Oldenburg und den umliegenden Landkreisen mit knapp 123.000 verkauften Exemplaren Monopolistin ist, im Wochentakt ihre Reporter auf die Piste. Ende Januar wurde sogar eine ganze Seite freigeräumt, damit unter der roten Überschrift „Heißes Wochenende in Oldenburg +++ Mittlere Generationen vergnügen sich in Diskos +++ Überall fröhliche Mienen“ ausführlich aus dem Nachtleben des leicht angejahrten Partyvolks berichtet werden konnte. Ein 25-jähriger NWZ-Autor stürzte sich ins Getümmel und erzählte, wie er zwischen all den abfeiernden Älteren merkte, dass „man sich in jedem Alter amüsieren kann“. Darunter steht ein Text über die 43-jährige „Single-Dame Jutta“, die auf der „Thirty Dancing“-Party in der „Kulturetage“ zu einem „leckeren ‚Sex on the Beach‘ “ eingeladen wurde – und angesichts „feuriger Rhythmen und exotischer Cocktails“ wohl nicht mehr lange Single bleiben werde. Eine ehemalige NWZ-Mitarbeiterin, die diverse Male auf solche Partys geschickt wurde, war öfters der Verzweiflung nahe: „Ich wusste bald nicht mehr, was ich noch schreiben sollte. Aber ich musste immer wieder hin.“

Dass die NWZ ihre Leserschaft permanent, ausführlich und im Jubelton mit Berichten von diesen Feiern beglückt, hat offenbar weniger inhaltliche als vielmehr strategische Gründe: Es scheint der verzweifelte Versuch zu sein, in einer Altersgruppe zu punkten, die die NWZ bislang ignoriert. Die Leserschaft der NWZ ist wie bei vielen Tageszeitungen in die Jahre gekommen: Die Zeitung verliert Käufer, weil sie wegsterben und kaum neue nachkommen. Im vergangenen Jahr sank die verkaufte Auflage um 2.000 Exemplare. Die übliche Mischung aus Aufregerthemen wie Graffiti-Sprayer und Kleindiebstähle, etwas Politik und viel Lokalklatsch scheint nicht jeden zu interessieren.

Anstatt aber die Lokalberichterstattung zur niveauvollen Marke des Blattes zu machen, begeben sich Verlag und Redaktion auf Lesersuche in die Diskotheken der 160.000-Einwohner-Stadt. Thema wird, was Teile einer bislang brachliegende Zielgruppe angehen könnte, auch wenn flirtende Mittvierziger außerhalb dieses Personenkreises kaum jemanden interessieren dürften. Ob da Streuverluste einkalkuliert sind?

Die NWZ ist schweigsam, was Vorgänge im eigenen Unternehmen betrifft. Die Äußerung der ehemaligen Mitarbeiterin wollte man nicht kommentieren, genauso wenig wie einen weiteren möglichen Zusammenhang zwischen der Dauerberieselung mit Partyreportagen und den Partys selbst: Im April 2007 erwarb der NWZ-Verlag Anteile am Singleparty-Veranstalter „Fischkopf“. In den Berichten taucht diese Beteiligung nicht auf. Um die tanzwütigen Mittelalten soll subtil geworben werden, das Eigeninteresse wird still verfolgt.

FELIX ZIMMERMANN