Schifffahrt steuert in die Rezession

Die Frachtschifffahrt hat vom Boom der Weltwirtschaft in den letzten Jahren profitiert, sich aber schlecht auf die Krise vorbereitet. Die trifft sie jetzt hart. Reedereien müssen sogar an Gebühren sparen: Sie schicken ihre Schiffe um Südafrika herum

2008 kostete ein Container von China nach Hamburg 2.500 US-Dollar, heute 250

VON STEFAN SPIEGEL

Der Hamburger Hafen meldete zweistelliges Wachstum, Reedereien verbuchten ordentliche Gewinne – 2006 war die Welt für die Frachtschifffahrt noch in Ordnung. Drei Jahre später hat sich das Blatt gewendet. Die deutschen Häfen denken über Kurzarbeit nach, im Hafen von Hongkong gibt es keinen Platz mehr, um leere Container abzustellen. 400 Containerschiffe weltweit liegen vor Anker, weil es nichts zu transportieren gibt. Die Frachtschifffahrt ist in der Krise angekommen.

Die Branche, die mit 70 Prozent den mit Abstand größten Anteil am EU-Außenhandel hat, kämpft mit großen Überkapazitäten. Durch steigende Exporte kam es von 1995 bis 2008 zu einer Vervierfachung des Containerumschlags, daraufhin haben Reedereien und Schiffsfinanzierer jede Menge Schiffe bestellt. Allein 2009 werden 470 neue Containerschiffe vom Stapel laufen, dadurch steigt die Kapazität der Weltflotte um 15 Prozent. Doch noch mehr Lademöglichkeiten werden laut Burkhard Lemper vom Institut für Seewirtschaft und Logistik nicht mehr gebraucht. „Für das laufende Jahr erwarten wir eine Stagnation des Containerumschlags.“ Die aktuellen Preise für Containertransporte sind deshalb drastisch eingebrochen. Der Transport eines Containers von China nach Hamburg kostete vor einem Jahr noch 2.500 US-Dollar, Anfang 2009 ist dieser Preis auf 250 US-Dollar gesunken.

Betroffen sind insbesondere die Reedereien. Branchenkenner erwarten bei allen großen Containerreedereien für 2009 Verluste. Das führt zu heftigen Sparprogrammen. So fahren Schiffe der Branchengrößen Maersk, CMACGM und neuerdings Hapag Lloyd nicht mehr durch den gebührenpflichtigen Suezkanal, sondern nehmen den Umweg um das Kap der guten Hoffnung. Und hinter den Kulissen versuchen die Finanzverantwortlichen der großen Reedereien derzeit verzweifelt, bereits georderte Schiffe wieder abzubestellen. Die Situation ist offenbar so dramatisch, dass die Reedereien sogar Vorauszahlungen von 20 Prozent des Kaufpreises bereits bestellter Schiffe an die Werften abschreiben, nur um die Schiffe nachher nicht übernehmen zu müssen.

Bei der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd sieht es derzeit noch nicht so schlimm aus. Nach Informationen aus dem Unternehmen hat die Reederei vorsichtig gewirtschaftet und im Gegensatz zu anderen Redereien keine neuen großen Containerschiffe bestellt. Das Orderbuch, das bereits bestellte Schiffe auflistet, ist bei Hapag Lloyd relativ dünn, so konnte man Stornierungen bisher vermeiden.

Laut einem Bericht der Welt verzögert sich durch die schlechte Marktlage jedoch der Verkauf von Hapag-Lloyd. Der bisherige Eigner Tui hatte die Reederei im letzten Jahr an ein Bieterkonsortium unter Führung des Unternehmers Klaus-Michael Kühne verkauft. Aufgrund der Schieflage des Unternehmens habe das Bieterkonsortium nun Probleme, die 4 Milliarden Euro teure Übernahme zu finanzieren.

Neben den Reedereien trifft die Krise auch die Schiffseigner, die Schiffe an die Reedereien verleihen. Die Charterraten für Containerschiffe sind laut Experte Lemper um 70 Prozent eingebrochen. Drei Fonds, die Schiffe finanzierten, mussten schon zum Jahresende 2008 Insolvenz anmelden. Insbesondere für Eigner, die keine langfristigen Charterverträge abgeschlossen haben, wird 2009 ein noch wesentlich schwierigeres Jahr.