irland wird rauchfreie zone von RALF SOTSCHECK:
Vorige Woche war an dieser Stelle die Rede von dem neuen irischen Gesetz, das es verbietet, sich in Kneipen zu betrinken. Ab 1. Januar darf man in den Pubs auch nicht mehr rauchen. Vielleicht könnte man sie in Bethallen umwidmen. Aber das hat ja auch keinen Sinn: Früher oder später wird die irische Regierung das Singen im Himmel und das Fluchen in der Hölle verbieten.
Es gibt 7.000 Pubs in Irland, schöne und hässliche, große und kleine, neue und alte und sehr alte wie das Dubliner Mulligan’s, John F. Kennedys Lieblingskneipe, die zuletzt 1882 gestrichen wurde. Der Rauch überlagert den Gestank von abgestandenem Bier und Kotze. Ebenso in der Palace Bar, wo Flann O’Brien – der „Joyce für Trinker“ – seinen Whiskey mit Samthandschuhen trank, weil er seiner Mutter auf dem Totenbett geschworen hatte, das Teufelszeug nie wieder anzurühren. Irische Pubs sind ein Exportschlager, man hat sie in fast allen Ländern der Welt kopiert. Und seit Walter Raleigh den Tabak 1584 aus Amerika in den südirischen Hafen Youghal importierte, wird in ihnen geraucht. Ab Januar werden sie nie mehr so sein wie früher.
Am Freitag erhielt ich per Kurier ein dickes Informationspaket vom „Büro für Tabakkontrolle“. Offenbar brauchte die Regierung wieder mal ein paar Pöstchen für ausgemusterte Politiker, und da man kein Oberhaus hat wie die Engländer, gründet man eben flugs eine neue Behörde. Aber warum schicken sie das Paket ausgerechnet mir, dem künftigen Exraucher, und dann noch per Eilboten? Es enthält einen Schreckensbericht über „Tabakrauch in der Umwelt“ und eine Auflistung der wirtschaftlichen Folgen des Rauchverbots. Demnach wird alles besser: In Kalifornien, so behaupten die Tabakkontrolleure, sei der Umsatz der Wirtshäuser nach dem Rauchverbot um fast 50 Prozent gestiegen. Und in New York haben die Kneipiers seit Frühjahr, als die letzte Kippe im Wirtshaus geraucht war, 1.500 Leute zusätzlich eingestellt – vermutlich alles Aufpasser, die das Nichtrauchen überwachen.
Abgerundet wird das Informationspaket durch eine Hochglanzbroschüre über passives Rauchen am Arbeitsplatz, auf der glücklich und kerngesund aussehende Nichtraucher im Blaumann einander anlächeln. Nichtraucher sind freundliche Menschen. Raucher sind garstig. Das glauben auch die Gastwirte. Sie haben Angst vor den rauchenden Gästen. Eine Barangestellte sagte: „Wenn Menschen einen feuchtfröhlichen Abend im Pub verbringen, sind sie bereit, ihr Recht auf Rauchen zu verteidigen.“
Aber feuchtfröhlich ist ja auch verboten. Wer nicht raucht, trinkt ohnehin weniger, glaubt Fenton Howell von der Anti-Raucher-Organisation Ash: „Das Zentrum der irischen Hauptstadt wird immer mehr zu einem der gefährlichsten Orte in Westeuropa, wenn die Sonne untergegangen ist.“ Wenn dort nicht mehr geraucht und getrunken wird, geht die Sonne auch nicht mehr unter.
Silvester um Mitternacht werden viele Iren zwangsläufig gute Vorsätze für das neue Jahr fassen. Na denn – Prost Neujahr. Aber Betrinken geht ja auch nicht mehr.
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