Einmal Fascho, immer Fascho?

Obwohl ihre Platten sich hunderttausendfach verkaufen, gefallen sich die „Böhsen Onkelz“ in der Märtyrer-Rolle. Am kommenden Donnerstag haben die verfolgten Unschuldigen einen Auftritt beim Wacken-Open-Air und bringen auch ihre Fans mit. Nicht alle sind darüber glücklich

von Christoph Ruf

Als beim letztjährigen Wacken-Festival, der Jahreshauptversammlung der europäischen Heavymetal-Freunde, durchsickerte, dass anno 2004 die Böhsen Onkelz auftreten würden, ließ das kaum jemanden kalt. Während sich die einen freuten, beschlossen andere, diesen Sommer zu Hause zu bleiben: Zu viele Stumpfnicks im Publikum, lautete eine Befürchtung; dass man der Band ihre rechte Vergangenheit nicht nachsehen dürfe, eine andere weit verbreitete Meinung.

Damit ist die Reaktion im Metal-Publikum genau so gespalten wie überall hierzulande. Riefen die Onkelz noch vor zehn Jahren die lokale Antifa auf den Plan, gelten sie heute auch einigen Linken als gesellschaftsfähig. Auch in Hamburger Szenekneipen und in der Hafenstraße liefen schon die Onkelz, mancher Prominente und Talkshowgast bekannte sich schon zur „entarteten Kunst von den fantastischen Vier“, wie es in einem der zahlreichen selbstreferenziellen Songs heißt.

Doch nach wie vor zuckt das Gros der Musikfreunde zusammen, wenn die Rede auf „die Onkelz“ kommt, oder ein – auffallend oft tiefer gelegtes – Auto mit quadratmetergroßem Bandlogo auf der Heckscheibe um die Ecke schießt. Sind die Onkelz also rechts?

Die Frankfurter haben in ihrer 25-jährigen Bandgeschichte genau einen Tonträger veröffentlicht, auf dem rassistisch-xenophobe Parolen verewigt sind („Türkenfotze kahlrasiert“). Er stammt aus ihren ersten Monaten und findet sich auf einer Demo-Cassette, die sie im Alter von 16 Jahren aufgenommen hatten. Eine Entschuldigung ist das nicht, denn man muss mit jungen Jahren weder ein Prolet noch ein Rassist sein. Auch muss man der Band vorwerfen, dass sie sich jahrelang nicht glaubwürdig von der frühen Aufnahme distanzierte – viel mehr als der Hinweis auf das jugendliche Alter und Sympathien des Bandleaders für die Grünen war von ihnen nicht zu hören. Erst nach den Exzessen des rechten Mobs in Hoyerswerda und anderswo wurden die Onkelz deutlicher: „Ich sehe braune Scheiße morden“ mag als Textfragment nicht allzu subtil klingen, deutet aber ebenso darauf hin, dass an der behaupteten Läuterung der Band was dran sein könnte, wie der Umstand, dass die Security bei Konzerten alle Fans rausschmeißt, die sich als Rechte zu erkennen geben.

Man kann die Band natürlich trotzdem einfach ignorieren, weil sie keine besonders originelle Musik macht. Doch trifft das in gleichem Maße auf Bands wie die Toten Hosen oder Die Ärzte zu, die eine ungleich bessere Presse haben. Man kann nachtragend sein, doch warum verzeihen so viele Menschen Robbie Williams seine Schmieröl-Jugend bei Take That? Weil es sich bei den Onkelz um politische und nicht um musikalische Leichen im Keller handelt? Doch wozu eine Antifa, wenn sie nach der Devise „Einmal Fascho, immer Fascho“ jeden aufklärerischen Anspruch aufgibt?

Mögen oder gar schätzen muss man das Quartett aus Hessen auch dann nicht, wenn man ihm zubilligt, mit 40 Jahren weniger Müll im Kopf zu haben als mit 16. Zu offensichtlich klauen sie musikalisch wie textlich, zu plump suhlen sie sich in einer als Trotz verbrämten weinerlichen Opferrolle, die geradezu lächerlich wirkt, wenn man weiß, dass sich jedes Album der Bande hunderttausendfach verkauft.

Aus dem bis vor zwei Jahren aufrecht gehaltenen Boykott durch WOM und MTV speiste sich jahrelang das Alleinstellungsmerkmal der Musiker, die sich trotz ihrer Erfolge so gerne in der Rolle der Outlaws sehen. Geliebt, verdammt, vergöttert heißt da schon mal eine Platte, auf der Homepage geißelt die Band gänzlich undifferenziert „die Presse“, die „mit Blindheit und Ignoranz geschlagen“ sei. Und in Texten behauptet man wahrheitswidrig, „mit dieser Band hast du nicht viele Freunde“.

Dass es nicht nur Jubelarien gegeben habe, als bekannt wurde, dass die Onkelz verpflichtet wurden, gibt Britta Kock, Pressesprecherin des Wacken-Open-Airs zu. „50 bis 60 kritische Mails“ habe man schon beantworten müssen. Der Faschismus-Vorwurf habe aber kaum eine Rolle gespielt, eher sorgten sich die Leute, ob das Onkelz-Publikum sich an die Gepflogenheiten des traditionell sehr friedlichen Festivals halten würden. Kock macht sich da keine Sorgen: „Die Fans haben sich auch in Hannover prima verhalten.“ Dort traten die Onkelz als Vorgruppe der Rolling Stones auf.

Wie die amerikanischen Senilo-Rocker wollen die Hessen, deren 29. Veröffentlichung Adios die letzte sein soll, nicht enden: Im 25. Jahr des Bestehens sei Schluss, so Weidner gegenüber seiner Metall-Hauszeitschrift Rock Hard: „Wir wollen nicht die deutschen Stones werden und mit 60 noch auf der Bühne stehen.“ Man habe das Gefühl gehabt, „dass jetzt jedes Onkelz-Lied gesungen ist“.

Während heute noch einmal Freundschaft, Suff und Selbstmitleid besungen werden, rufen in Hinterzimmern brandenburgischer oder pfälzischer Gasthöfe die echten Nazibands zum Mord an allen auf, was nicht ins arische Weltbild passt. Unbemerkt von der Öffentlichkeit selbstverständlich. Wenn es die Onkelz durch ihren Abschied von der Bühne schaffen sollten, dass sich die Öffentlichkeit wieder mit den realen Gefahren rechtsextremistischer Musik beschäftigt, sollte man der Band posthum das Bundesverdienstkreuz verleihen. Das würde sie dann natürlich aus Imagegründen verweigern. Denn wie hieß es bereits 1997? „Wir sind noch lange keine Freunde – danke für nichts.“

Wacken-Openair, 5. bis 7. August in Wacken (bei Itzehoe), mit „Motorhead“, „Böhse Onkelz“, „Children of Bodom“, „Saxon“, „Anthrax“