Wie man sich jetzt gibt, um Singer und Songwriter zu sein: Jens Friebe vor „Lambchop“ in der Fabrik
: Typ im Spiegel

Von Jens Friebe gibt es dieses Bild. Er betrachtet sich im Spiegel. Ganz alltäglich schaut dieses Bild aus, ein junger Typ prüft, sitzt alles, schaue ich gut aus. Vielleicht trifft er gleich seinen Freund oder seine Freundin, vielleicht geht er gleich auf die Bühne. Jedenfalls hat er sich rausgeputzt, und zwar so, dass man es erst bei genauerem Hinschauen merkt. Das dunkelblonde Haar ist zu Strähnchen gegelt, um die Augen hat er sich einen Schatten geschminkt. Friebe schürzt die frisch nachgezogenen Lippen. Und der Spiegel sieht aus wie eine ins Zweidimensionale geplättete Discokugel. Jens Friebe (Foto: Herta Hurnaus) ist der Typ im Spiegel. Wie er sich gibt, so gibt man sich jetzt als Singer-Songwriter. Das ist die Hoffnung.

Wie ein Spiegel funktioniert da auch der herkömmliche Songwriter, für den er am Dienstag in der Fabrik an seinem E-Piano nur den Weg bereiten soll: Kurt Wagner, der Schreiber und Sänger und Chef von Lambchop. Wie von Whiskey beträufelt und gut durchgeraucht klingen Wagners zwischen Bass und Bariton verortete Stimmbänder. Singt Wagner über verflossene Liebschaften, so stellt sich die Frage nie, welches Geschlecht diese Besungenen verkörpern.

Jens Friebe macht etwas ganz anderes. Die Songs auf dem Debüt Vorher Nachher Bilder klingen, als wären sie noch nicht ganz fertig. Nicht bei jedem mag das eine Auszeichnung sein, doch bei Friebe ist es einfach so. Er fürchtet sich nicht vor hässlichen Sounds noch vor Skurrilitäten. Etwas seltsam, glänzt der Berliner doch mit Fähigkeiten wie einer an Obertönen reichen Kakao-Öl-Stimme und dazu auch noch mit Eleganz in der Melodieführung. Andere würden alles dafür tun, dieses Können zu einem beeindruckend geschlossenen Opus zu perfektionieren. Würden vielleicht eine Platte aufnehmen mit irgendeinem, von Christian Thielemann geleiteten Staatsorchester.

Friebe ist moderner als solche Gedanken. Selbst da, wo er wie ein Großdichter von „Gespenstern“ redet oder von „Schatten“, selbst dort bricht Friebe das Werk mit anti-perfektionistischen Einfällen. Führt im Fall der „Gespenster“ zu Konkretem, indem er auf der Webseite den Text mit der Originalüberschrift stehen lässt: „Free Sex Pics“. Und bringt im von Schatten und Lichtvernichtung raunenden „Cast A Shadow“ irgendwie einen Zungenkuss unter.

Dazu kommen diese dämlichen Synthiesounds und Eighties-Funk-Gitarren-Licks, ausgerechnet in diesem Lied, wo Friebe über seine Sehnsucht redet, ein Star zu sein und genau deswegen geliebt zu werden. Auch ganz allein am E-Piano brilliert der neue Schatz von Independent-Guru Alfred Hilsberg mit einer Romantik des Unfertigen. Unzulänglichkeiten werden ausgestellt und live angesprochen, statt sie professionell zu ignorieren. Er kann diese weichen Gesten beim Singen und in die Tasten greifen. Und er kann diesen zweifelnden Gesichtsausdruck, wenn es um die Anerkennung durch das Publikum geht. So ist man heute. Und deshalb reden jetzt alle über Jens Friebe. Christoph Braun

Dienstag, 21 Uhr, Fabrik