Bei Nacht und Nebel

Kurz vorm Ministerentscheid: Der Kanzler stellt Verlegern Liberalisierung der Pressefusionskontrolle in Aussicht

BERLIN taz ■ Der gewählte Zeitpunkt ist merkwürdig. Vergangenen Donnerstag traf Bundeskanzler Gerhard Schröder sich mit Verlegern zum Abendessen. Dabei soll er laut Spiegel eine weit reichende Liberalisierung der Pressefusionskontrolle in Aussicht gestellt haben.

Ein „übliches Branchengespräch“, sei das gewesen, sagte ein Sprecher des Kanzleramts. Was man nicht recht glauben mag. Erst am Dienstag wurden die Einladungen verschickt, und die Zeiten sind nun mal unüblich. Seit Monaten steht die Entscheidung an, ob der Holtzbrinck Verlag die Berliner Zeitung übernehmen darf. Das Kartellamt erteilte dem eine Absage, weil Holtzbrinck in Berlin schon mit dem Tagesspiegel vertreten ist. Gegenwärtig beschäftigt sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement mit dem Fall, denn Holtzbrinck hätte gern eine Ministererlaubnis. Am 8. September findet die nächste Anhörung dazu statt.

Dann werden auch Clement und Springer-Vorstand Mathias Döpfner zugegen sein. Am Donnerstag fehlten beide. Döpfner war zwar geladen, hatte aber abgesagt, weil sonst die Gefahr bestünde, dass „Verquickungen mit dem laufenden Verfahren über die Ministererlaubnis entstehen“ und es beeinflusst werde, wie er an den Kanzler schrieb. Angeblich soll Clement daraufhin auch abgesagt haben. Holtzbrinck scheint die Befürchtung nicht zu teilen: Stefan von Holtzbrinck hat nämlich mitgespeist. Springer spricht sich (wie auch die taz) klar gegen eine Übernahme der Berliner Zeitung durch Holtzbrinck aus. Einerseits.

Andererseits drängt Döpfner schon lange auf eine Lockerung des Pressefuisonsrechts. Argumentationsnot für Springer? Mitnichten, sagte Sprecherin Edda Fels der taz: „Wir haben immer gesagt, es muss gleiches Recht für alle gelten.“ Springer wäre es wohl am liebsten, Clement erteilte Holtzbrinck eine Absage, dann wird das Fusionsrecht liberalisiert und alle großen Verlage hätten die Chance, sich durch die Übernahme kleinerer Zeitungshäuser zu sanieren. Holtzbrinck hat durch den Einsatz des Kanzlers nun möglicherweise schon etwas früher die Chance dazu. HEIKO DILK

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