: Lieber rote und gelbe als grüne Äpfel
Kunden wollen immer nur das eine: Äpfel nach Norm. Zumindest glaubt das der Handel und bietet nur noch wenige der 30.000 Sorten an. Die kommen vor allem von ausländischen Plantagen. Doch dort wird mehr Gift versprüht
BERLIN taz ■ Sie sind alle gleich groß und nahezu perfekt rund. Mitunter in Papier gewickelt, in Pappkartons geschichtet, stapelbar. Eine grüne, eine rote, eine gestreifte Sorte – das Apfelangebot in Supermärkten ist eintönig. Von weltweit rund 30.000 Apfelsorten werden in deutschen Supermärkten nur noch fünf in großen Mengen verkauft, so der Verband der deutschen Obstbauern.
Deren Geschäftsführer Herbert Knuppen beklagte jetzt gegenüber der taz: „Die Deutschen büßen Geschmacksvielfalt ein.“ Und sie nehmen noch mehr in Kauf: Denn auf den großen ausländischen Plantagen ist die Produktion zwar billiger. Aber es wird mehr Chemie gegen Insekten und Schimmel eingesetzt. So sind die reifen Äpfel später stärker mit Giften belastet.
Noch schmeckt den Kunden der süß-saftige Jonagold am besten. Laut der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) in Bonn hat er am Markt einen Anteil von 17 Prozent. Der würzig-fruchtige Elstar folgt mit 13,8 Prozent. Beide sind auch in Deutschland heimisch. Doch macht importierte Ware rund zwei Drittel der hierzulande verzehrten Tafeläpfel aus. Der Malus domesticus ist die mit Abstand meist gekaufte Frucht.
Scharfe Konkurrenz bekommt Jonagold in dieser Saison durch Braeburn und Gala. Dem langjährigen Favoriten Golden Delicious haben sie bereits den Rang abgelaufen. Die Sorten kommen ursprünglich aus Neuseeland. Mittlerweile werden sie aber weltweit angebaut, per Schiff oder Flugzeug über tausende Kilometern nach Deutschland gebracht. Doch der ganzjährige, großflächige Anbau ist nicht der einzige Grund, warum sie die Märkte erobern.
Sie entsprechen auch dem derzeitigen Geschmack der Kunden, weil sie nicht zu süß und gelb-rot marmoriert sind. Und vor allem: Sie sind gut zu lagern. So können die Händler das ganze Jahr über den gleichen Apfel anbieten. Das bestätigt auch Andreas Krämer von der Rewe-Handelsgruppe: „Wir haben kaum saisonalen Sortenwechsel.“ So wollten es eben die Kunden.
„Viele heimische Sorten schaffen den Sprung in die Regale nicht mehr“, bedauert hingegen Obstbauer Knuppen. Wer findet im Discounter schon den Rheinischen Krummstiel oder den Prinzenapfel? Tatsächlich sind daran aber auch Knuppen und seine Kollegen schuld. Sie haben ihre Produktion in den letzten Jahren rationalisiert. Die Bäume sollen leicht zu pflegen, die Äpfel schnell zu pflücken sein. Deshalb pflanzen viele nur noch niederstämmige statt großkroniger Bäume. Und das sind vor allem die modernen, aber sehr einheitlichen Züchtungen.
Jedes Jahr werden in der Bundesrepublik knapp eine Million Tonnen Tafeläpfel produziert. Das ist gerade so viel, wie beispielsweise Argentinien exportiert. „Der Einzelhandel als Hauptabnehmer der Äpfel sucht leistungsfähige Lieferanten, die einheitliche Partien liefern können“, erklärt Professor Wolfgang Bokelmann von der Humboldt-Universität in Berlin. Das könnte der deutsche Obstbauer nicht leisten, im Gegensatz zu auf Export spezialisierten Ländern wie Neuseeland.
In den meisten Staaten der Welt gibt es jedoch keine strengen Auflagen, die den Einsatz von Pestiziden im Fruchtanbau regeln. „Wir sind der Müllplatz der restlichen Apfelerzeugung“, meint deshalb auch Herbert Knuppen. Hierzulande haben 80 Prozent der Obstbauern auf die so genannte integrierte Produktion umgestellt. Dabei verpflichten sie sich, weniger Pestizide zu versprühen. Stattdessen beobachten sie wieder natürliche Zyklen und integrieren sie in den Anbau. Sie locken Schädlinge zum Beispiel mit Sexualduftstoffen in Fallen. „Am Ende steht erst die Spritze“, sagt Knuppen.
Bioäpfel sind in der Regel völlig pestizidfrei. Sie stammen auch nur zur Hälfte aus dem Ausland, wie Eberhard Holland von der Fördergemeinschaft ökologischer Obstbau schätzt. Und Bioläden sind mutiger bei der Sortenwahl als Supermärkte. Sie bieten Äpfel an, die aus dem Grün-rot-gestreift-Schema herausfallen, selbst wenn Elstar und Jonagold auch hier die beliebtesten sind. FRANZISKA DÄHN
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