Entwaffnende Erfahrung

412 Waffen drückten Schüler in die Müllcontainer der Polizei. Die meisten wahrscheinlich aus einem spontanen Impuls heraus. Dennoch könnte die Aktion etwas bewirkt haben

„Es waren nicht die Braven, die jetzt Muffensausen bekamen“

Bremen taz ■ Über tausend Waffen wurden im Rahmen der Aktion „Waffenfreies Bremen“ bei den Polizeirevieren und an den eigens vor den Schulzentren aufgestellten Waffen-Mülleimern in Bremen und Bremerhaven abgegeben. Der Hintergrund: Am Sonntag lief die Amnestiefrist ab, bis zu der man die nach dem neuen Waffengesetz verbotenen Messer, Wurfsterne und Pistolen anonym und straffrei loswerden konnte. Im Vergleich zu anderen Städten drückten relativ viele Waffenbesitzer ihre Brutalo-Accessoires in die Tonne. Vor allem die Bremer Variante, direkt an die Schulen zu gehen, sei auf „bundesweite Beachtung“ gestoßen, so gestern Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU).

412 Geräte zählte die Polizei, darunter allerdings auch 35 Spielzeugpistolen. Überwiegend waren es Messer verschiedener Art sowie selbst gebaute Schlagstöcke, die vor den Schulen in den Müllcontainern und schließlich bei der Polizei landeten – aber auch 67 Schreckschusswaffen. Und auch wenn weder die Polizei noch der Innensenator davon ausgehen, dass die Schulen jetzt tatsächlich waffenfreie Zonen sind, ist die Botschaft offensichtlich bei einigen Jugendlichen angekommen.

„Denen ist wohl etwas heiß geworden“, vermutet der Leiter des Schulzentrums Koblenzer Straße in Tenever, Gerd Menkens. Sieben Schüler – vor allem aus den achten Klassen – haben ihm persönlich ihre Messer anvertraut, gleich nachdem sie das Schreiben der Polizei erhalten hatten, in denen das Waffengesetz und die möglichen Strafen erklärt wurden. Dabei seien das nicht die Braven gewesen, die jetzt Muffensausen bekamen, sagt Menkens, sondern eher die härteren Kaliber.

„Das muss eine Verunsicherung aus dem Moment heraus gewesen sein“, versucht er die Motivation der Jugendlichen zu erklären. „Die sehen, dass man für unerlaubten Waffenbesitz ins Gefängnis kommen kann und gucken aber nicht nach, ob das für ihr Alter überhaupt zutrifft.“ Deshalb müsse man realistischerweise davon ausgehen, dass die Schüler versuchen werden, über ältere Freunde und Geschwister wieder an Waffen zu gelangen. Außerdem sei er sicher, dass nur ein kleiner Teil der gefährlichen Geräte abgegeben wurde.

Schulleiter Menkens setzt daher auf eine langfristige Strategie, um Schüler davon zu überzeugen, dass sie sich auch ohne dickes Messer in der Tasche sicher fühlen können. „Moralischer Druck hilft da überhaupt nichts.“

Im neuen Schuljahr sollen an der Ganztagsschule im sozialen Brennpunkt Tenever Kurse angeboten werden, die den Jugendlichen Alternativen zum Waffenbesitz zeigen. Im Selbstverteidigungskurs wird ein Polizist nicht nur Verteidigung lehren, sondern auch Konfliktberatung geben.

Dennoch sei die Polizei-Aktion ein Erfolg, sagt der Politikwissenschaftler Frank Meng von der Uni Bremen, Projektleiter der vor einer Woche vorgestellten Studie zu Gewalt an Bremer Schulen. Wer mit einem Messer oder Wurfstern in die Schule komme, habe meist selbst Angst vor Waffen und glaube, sich so schützen zu können, sagt der Gewalt-Experte Meng. Die Tatsache, dass es jetzt weniger Waffen gebe, könnte deshalb Kids davon abhalten sich zu bewaffnen. Dass die Angst da sei, habe die Studie gezeigt, sagt Meng. „Es gibt ein ganz großes Bedürfnis nach Entwaffnung, bis hin zu Vorschlägen, nach amerikanischem Vorbild Metalldetektoren aufzustellen.“

Eiken Bruhn