Ehud Barak muss nicht büßen

Israelische Kommission empfiehlt, Ex-Premier nicht für Tod von dreizehn arabischen Israelis im Jahre 2000 zur Verantwortung zu ziehen. Angehörige enttäuscht

„Sie haben ihn zuerst geschlagen und, als er schon auf dem Boden lag, erschossen“

JERUSALEM taz ■ Israels ehemaliger Premierminister Ehud Barak konnte aufatmen. Der gestern veröffentlichte Untersuchungsbericht über den Tod von dreizehn Demonstranten, die im Oktober des Jahres 2000 im israelischen Kernland von Polizisten erschossen worden waren, enthält, ungeachtet schwerer Kritik gegen ihn, nicht die Empfehlung, ihn zur Verantwortung zu ziehen. Die dreiköpfige, von Barak selbst eingesetzte Kommission ließ sich von seiner Aussage, er habe falsche oder zu wenig Informationen über die Vorgänge erhalten, überzeugen.

Hinsichtlich des ehemaligen Polizeiministers Schlomo Ben-Ami, der bei der Ausübung seiner Aufgabe versagt habe, empfiehlt die Kommission hingegen, ihn künftig nicht mehr in diesem Amt einzusetzen. Eine ähnliche Empfehlung gab das Gremium für den früheren Polizeichef Jehuda Wilk ab.

Die Angehörigen der zwölf israelischen Araber und eines jungen Demonstranten aus dem Gaza-Streifen lehnten die Ergebnisse der Untersuchungskommission ab. In einer unmittelbar nach Veröffentlichung des Berichts einberufenen Pressekonferenz kritisierten sie, dass sich die Kommission nicht zuallererst mit dem Tod der dreizehn Menschen befasst habe und keine konkreten Empfehlungen für die Strafverfolgung der Verantwortlichen abgegeben habe.

Der israelisch-arabische Abgeordnete Achmad Tibi äußerte Unverständnis über die Entlastung Baraks, den er für „das schlimmste Vorgehen einer israelischen Regierung gegen ihre arabischen Bürger überhaupt“ verantwortlich macht.

Wenige Tage nach Beginn der „Al-Aksa-Intifada“ im Westjordanland und im Gaza-Streifen hatten sich weite Teile der arabisch-israelischen Bevölkerung in Form spontaner Demonstrationen für solidarisch erklärt. Der damals 17-jährige Assil Ghassle aus dem Dorf Arabe in Galiläa stand gerade vor dem Haus seines Vaters Hassan, als sich zwischen Demonstranten und Polizisten ein heftiges Wortgefecht entspannte. „Die Polizisten fingen an zu schießen“, berichtet Hassan Ghassle. Assil habe versucht wegzulaufen, bis ihn eine Gruppe von Polizisten erreichte. „Sie haben ihn zuerst geschlagen und, als er schon auf dem Boden lag, erschossen.“ Der Vater berichtet über den „Mord“, den er selbst aus unmittelbarer Nähe beobachtet habe und der seiner Meinung nach strafrechtlich verfolgt werden müsse.

Auch Ehud Barak müsse vor Gericht gestellt werden, schließlich „hat er die polizeilichen Methoden ermöglicht“. Die Polizei hatte Gebrauch von mit Gummi umhüllten Eisengeschossen gemacht sowie Scharfschützen eingesetzt.

Sollten die Empfehlungen der Untersuchungskommission, die formal rechtlich nicht verpflichtend sind, auf offene Ohren stoßen, dürften derartige Maßnahmen bei der Auflösung von Demonstrationen künftig nicht mehr angewandt werden.

Die Kommission kritisierte das Versagen der Regierung und aller bisherigen Regierungen beim Umgang mit der arabischen Bevölkerung, vor allem bei der Verteilung staatlicher Ressourcen. Ein konkreter Zeitplan soll nun bei der „systematischen Verbesserung“ der Zustände helfen, ebenso auch gemeinsame Symbole und Zeremonien, die „das gemeinsame Lager“ hervorheben. Die Regierung dürfe dabei aber nicht vergessen, dass Israel ein jüdischer „und demokratischer“ Staat sei.

SUSANNE KNAUL