Die Zoll-Hürde

Die WTO-Konferenz in Cancún will den Rahmen für die Senkung von Schutzzöllen festlegen

von KATHARINA KOUFEN

Wenn sich ab Mittwoch nächster Woche in Cancún die Wirtschafts- und Handelsminister aus 146 Staaten treffen, dann steht hinter den Verhandlungspunkten letztlich ein Ziel: Zölle senken. Dafür wurde die Welthandelsorganisation (WTO) geschaffen, und dafür steht auch ihr wichtigstes Fundament, das GATT.

Dieses Zoll- und Handelsabkommen existiert seit 1947, ist also fast 50 Jahre älter als die WTO. Ursprünglich sollte es Regeln für den internationalen Handel aufstellen und überwachen. Ab den 60er-Jahren setzten sich die GATT-Mitglieder für Zollabbau und Freihandel ein. Mittlerweile ist zwar alles viel komplizierter geworden. Es wurden seit Gründung der WTO neue Abkommen geschlossen über den Handel mit Patenten, mit Dienstleistungen, mit Agrarprodukten. Die WTO entscheidet heute nicht nur über Zollhöhen, sondern auch darüber, ob die EU genveränderten Mais aus den USA einführen muss oder nicht. Doch das Urabkommen GATT gilt nach wie vor für alle Handelsprodukte. In Cancún wird es daher auch um den Urstreit der WTO-Länder gehen: Wer senkt welche Zölle wie weit?

Für alle Waren, die nicht aus der Landwirtschaft stammen, also vor allem Industriegüter und Textilien, stehen sich zwei Vorschläge gegenüber: Entweder sollen alle Länder ihre Durchschnittszölle um den gleichen Prozentsatz senken – das begünstigt vor allem diejenigen, die ihre heimische Industrie ohnehin schon mit hohen Zöllen vor der Konkurrenz schützen. Oder alle sollen die Zölle auf einen gemeinsamen Höchstsatz senken – das wollen die Länder, die ihre Zölle schon relativ weit reduziert haben.

Vor allem die EU hatte den zweiten Vorschlag favorisiert. Denn anders als bei Agrarprodukten, wo Europa wie die anderen reichen Länder auch Spitzenzölle erhebt (siehe Grafik), liegen die europäischen Durchschnittszölle für die so genannten Industriewaren nur bei etwa vier Prozent. Für Metallerzeugnisse etwa erreicht selbst der höchste Satz nur 6,7 Prozent. Schwellenländer wie Indien und Brasilien mit höheren Zöllen hingegen würden von einer prozentualen Senkung profitieren. Eine echte Einigung konnte das WTO-Vorbereitungsteam nicht finden. In Cancún soll nun lediglich der „Rahmen“ für eine Formel zur Zollsenkung festgelegt werden – die Zahlen werden nachgeliefert.

Besonders umstritten ist der Handel mit Textilien. Die USA verlangen von manchen Ländern für die Einfuhr von Kleidern Schutzzölle von bis zu 58,8 Prozent – die US-Hersteller von T-Shirts und Jeans fürchten die Konkurrenz aus Asien. Die EU dagegen will sich für ein Absenken der Zölle „gegen null“ einsetzen, heißt es aus deutschen Delegationskreisen. Davon profitierten ärmere Länder, und schließlich nehme man das WTO-Versprechen ernst, aus der Handelsrunde eine Entwicklungsrunde zu machen. MITARBEIT: BERND MIKOSCH