Noch mehr Hartz für Deutschland

Wenig Lob und viel Kritik: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fordert tief greifende Reformen in Deutschland. Arbeitsmarktpolitik nur „Geldverschwendung“

BERLIN taz ■ Das Rentenalter heraufsetzen, ABM eindampfen, den Haushalt rasch konsolidieren, die Pensionsregeln der normalen Rente anpassen, das Ehegattensplitting abschaffen, den Kündigungsschutz abschwächen, die Gesundheitskosten dämpfen: Der „Deutschland-Bericht“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) enthält genügend Grausamkeiten, um mehr als eine Regierung den Kopf zu kosten.

Immerhin: Der Bericht schenkt der Regierung Schröder neben Kritik auch freundliches Lob und ein paar gute Nachrichten. Das Lob: Die Agenda 2010 sei eine „bedeutende Reforminitiative“, heißt es in dem Bericht. Sie gehe „in die richtige Richtung“, urteilt auch der Deutschland-Experte der OECD, Eckhard Wurzel. Zudem verfüge Deutschland über eine „starke, wettbewerbsfähige Exportindustrie“, die ihre Konkurrenzfähigkeit im Vergleich mit den Europäern, auch dank der Lohnzurückhaltung der Arbeiter und Angestellten, sogar deutlich steigern konnte.

Die gute Nachricht: Das Wachstum werde deutlicher anziehen als im Frühjahr erwartet. Mit 1,5 bis 2 Prozent rechnet die OECD jetzt. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, dass es in diesem Jahr weniger Feiertage gibt, was das reale Wachstum noch höher ausfallen lassen wird. Außerdem befürchtet OECD-Experte Wurzel keine „durchschlagenden Negativwirkungen“ durch die hohen Ölpreise, denn es sei ja der weltweite Aufschwung, der das Öl knapper und teurer werden ließe.

Trotzdem erwartet die OECD, dass es erst 2005 „signifikante Beschäftigungsgewinne“ geben werde. Denn der Arbeitsmarkt leide unter „verzerrenden Anreizen“, die alte Leute und verheiratete Frauen vom Arbeitsmarkt fern halte. Zu viel Geld werde in fragwürdige Programme gesteckt. „Die aktive Arbeitsmarktpolitik war zum größten Teil Verschwendung“, urteilt Wurzel. Deshalb sei es wichtig, dass die Regierung, wie angekündigt, ihre Job-Programme gründlich überprüfe und ineffektive Maßnahmen „umgehend“ einstelle.

Skeptisch sieht die OECD auch die geförderten Ich-AGs, die „womöglich“ eine Arbeitslosigkeit nur verschöben. Wurzel warnt zudem davor, die Minijobs wie geplant in voller Breite zu fördern. Sie seien zwar eine gute Idee, sollten aber besser auf Arbeitslose beschränkt werden, rät der Experte. Sonst könnten die staatlichen Gehaltszuschüsse in eine Belastung der Haushalte ausarten. MATTHIAS URBACH

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